Diese Frage hat sich Axel vom Podcast „rennSandale“ gestellt. Eigentlich geht er in seinen Casts der Frage nach, wie man dauerhaft (sprich: bis ins hohe Alter) verletzungsfrei Laufen kann. Offensichtlich hat er da schon gegenteilige Erfahrungen gemacht, was sich in mittlerweile 42 Folgen nachhören lässt.
Als Berufspendler bin ich begeisterter Podcast-Hörer und habe natürlich auch die rennSandale seit langem abonniert. So war ich auch im Thema, als Axel sich mit dem Wunsch gemeldet hat, ihm beim Auswerten seiner Messreihen zu helfen. Er hat sich gefragt, ob man den Stryd dazu nutzen kann herauszufinden, ob nun das Laufen in Schuhen oder Barfuß gesünder ist. Als bekennender Zahlen-Nerd war ich natürlich sofort Feuer und Flamme. :)
Inhalt / Content
Test-Setup
Axel ist einfach mal immer gleiche Strecken mit unterschiedlichem Schuhwerk gelaufen und hat diese Läufe mit dem Stryd-Footpod aufgezeichnet. Dazu hat er sich verschiedene Untergründe gesucht und ist dort jeweils mit verschiedenen Besohlungen möglichst vergleichbare Distanzen und Geschwindigkeiten gelaufen. Nach Läufen auf Asche, Tartan und einem Laufband haben wir uns seine Datenreihen in WKO5 angesehen.
Da ich den Verdacht hatte, dass sich einige Messwerte auch dann von Lauf zu Lauf verändern könnten, wenn er nicht die Schuhe wechselt, ist Axel dann noch vier Mal auf der Strasse gelaufen – mit gleichen Pausenzeiten, aber ohne die Schuhe zu wechseln. Damit sah die grundsätzliche Datenlage so aus:
Erste Überlegungen
Axel hat mir bewusst nicht verraten, welchen Lauf er mit welchem Schuh gemacht hat. Nur so viel: er war barfuß, mit einem Vivobarefoot Primus Road, einer Luna Mono 2.0 Sandale und einem Asics GT-3000 unterwegs. Die grafische Darstellung der vom Stryd aufgezeichneten Daten macht deutlich, dass sehr leicht klare Unterschiede zu erkennen sind.
Allerdings stellt sich direkt die Frage: welcher Wert sagt was aus? Und was wäre ein guter oder schlechter Wert?! Hier ein kleiner Exkurs in die Stryd-Metriken:
Bodenkontaktzeit
Das ist die Zeit in Millisekunden (ms), in denen der Fuß Kontakt mit dem Boden hat. Bei Elite-Läufern liegt sie laut Garmin unter 200 ms, bei erfahrenen Läufern unter 300 ms. Kürzere Bodenkontaktzeiten werden also eher besseren / schnelleren Läufern zugeordnet und stehen für einen ökonomischeren Laufstil.
Vertical Oscillation
Die vertikale Bewegung gibt an, um wie viel Zentimeter sich der Rumpf beim Laufen auf und ab bewegt. Es wird davon ausgegangen, dass eine geringere Bewegung effektiver ist, weil für die Vertikalbewegung dann weniger Energie verbraucht wird. Andererseits ist sie bei höherem Tempo meist größer, weshalb man eigentlich die Vertical Oscillation mit der Schrittlänge in Beziehung setzen müsste (haben wir hier nicht gemacht).
Leg Spring Stiffness
Diese neue Wunder-Metrik ist erst durch den Stryd messbar geworden und repräsentiert die Steifheit der Muskeln und Bänder beim Aufkommen in der Laufbewegung. Eine höhere Steifigkeit soll dazu führen, dass weniger Energie für den nächsten Schritt verloren geht, man also ökonomischer läuft. Auch die LSS ist abhängig von der Geschwindigkeit und bei höherem Tempo meist auch höher.
Form Power
Die vom Stryd gemessene Leistung läßt sich in zwei Komponenten unterteilen: die Horizontal Power ist der Teil der Leistung, der den Körper vorwärts bewegt. Gleichzeitig muss der Körper aber auch auf und ab bewegt werden. Die dafür aufgebrachte Leistung ist die Form Power. Je geringer der Anteil der Form Power an der Gesamtleistung also ist, desto effektiver wird Leistung in Geschwindigkeit übersetzt. Eine geringere Form Power ist also mit besserer Effizienz gleichzusetzen (auf flacher Strecke).
Geschickterweise habe ich die Kurven oben schon so angelegt, dass der jeweils besser zu bewertende Wert die Linie nach oben führt. So lassen sich die Graphen ein bisschen besser lesen.
Interpretation
Asche
Auf der Aschebahn sind die Unterschiede bei der Vertical Oscillation und der Form Power so gering, dass ich sie vernachlässigen würde (die Graphen sehen dramatischer aus, als es die Werte hergeben…). Von Bodenkontaktzeit und LSS her scheint jeder Lauf besser als der vorherige zu sein. Demnach dürfte die Reihenfolge des Schuhwerks gleichzeitig die Laufeffizienz wiederspiegeln.
Tartan
Bei der Tartanbahn ist es schwer eine klaren Aussage zu treffen. Zum einen ist der Lauf „Tartan 1“ um ca. ein Drittel kürzer gewesen, während „Tartan 3“ deutlich schneller als die anderen war. Im Zweifelsfall würde mich auch hier auf Bodenkontaktzeit und LSS verlassen, was zur Reihenfolge 1-2-4-3 führt – nach Effizienz sortiert.
Laufband
Axel hat mit verraten, dass er sehr selten auf einem Laufband läuft. Daher ist er sicher deutlich mehr in die Schritte gefallen als sonst, was die hohen Bodenkontaktzeiten und die geringere LSS erklärt. Aber es scheint so, als habe er auf dem Laufband die gleiche Reihenfolge der Besohlung wie auf der Aschebahn gewählt – die effizienteste Variante zuletzt.
Strasse
Der Testlauf auf der Strasse zeigt eigentlich ganz gut, dass Ermüdung über die jeweils vier Läufe á (in dem Fall) ca. 10 Minuten keine Bewegung in die Werte bringt. Die Unterschiede in den anderen Messreihen sollten sich also ganz gut über das gewählte Schuhwerk erklären lassen.
Ein bisschen gerechnet
Neben den reinen Messwerten des Stryd erlauben es die erhobenen Daten natürlich auch, noch weitere Metriken zur Bewertung der Läufer heran zu ziehen.
Running Effectivness (RE)
Sie beschreibt das Verhältnis von Geschwindigkeit zu Leistungsgewicht – also Speed durch Power/kg. Die Einheit gibt an, wie viel Geschwindigkeit sich aus einer Einheit Leistung generieren lässt. Dem entsprechend sind höhere Werte besser. Werte unter 0,99 gelten als unterdurchschnittlich, bis 1,01 ist man noch durchschnittlich und erst ab 1,05 beginnt die Welt der Eliteläufer.
Speed/HR und Power/HR
Daneben kann man sich noch die metabolische Effizienz ansehen. Wie viel Speed oder wie viel Power kann der Körper also pro Herzschlag erzeugen. Auch hier gilt: je höher, je besser.
Interpretation
Wenn man sich hier die Werte auf der Tartanbahn ansieht muss man eigentlich sagen: vergiss die Frage nach den Schuhen. ;) Bei den reinen Stryd-Metriken ist das nur leicht zu erkennen, aber bei den berechneten Werten kann man es nicht leugnen: der Untergrund macht einen viel größeren Unterschied als die Wahl des Schuhwerks.
Strasse
Anscheinend macht hier die Einbeziehung der Herzfrequenz und deren Drift bei Ermüdung doch einen Unterschied. Ich würde deshalb dem jeweils letzten Lauf auf den anderen drei Untergründen einen Bonus hinzurechnen, um das auszugleichen.
Asche
Zwar gibt es hier bei „Asche 3“ einen Ausreißer bei der RE, aber mit dem Bonus denke ich schon, dass sich die Einschätzung aus den ersten Metriken bestätigen läßt. Asche 1 war am wenigsten und Asche 4 am meisten effizient.
Tartan
Hmm… wie gesagt: anscheinend ist der Einfluss des Schuhwerks hier eher gering. Ich könnte mich hier für keine Reihenfolge entscheiden und halte mich an die Zuordnung von oben.
Laufband
Auch ohne den Bonus für den letzten Lauf scheint hier ganz klar zu sein, dass Axel die Reihenfolge der Schuhe aus dem Asche-Lauf beibehalten hat.
Zwischenfazit
Auch wenn die Graphen deutliche Unterschiede nahelegen und ich mich um eine Gewichtung der einzelnen Läufe bemüht habe: alle Werte liegen so eng beieinander, dass es keinen wirklichen Sieger geben kann. Wenn überhaupt müsste er „Tartanbahn“ heissen. ;)
Auflösung im Podcast
Axel hat mir erst im Podcast verraten, welchen Lauf er mit welchem Schuh gemacht hat. Wer unser Gespräch nachhören will, kann das gerne hier tun: rennSandale Episode 043: Laufeffizienz messen