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Ich habe sechs Monate mit athletica.ai trainiert und mich damit auf wichtige Wettkämpfe vorbereitet. Wie funktioniert das KI-Trainingssystem und welche Vorteile gibt es im Vergleich mit anderen Apps?
Anzeige: Ich konnte athletica während der Testphase kostenlos benutzen. Dies hatte keinen Einfluss auf den Inhalt meines Testberichts. Der Beitrag ist frei verfasst und gibt ausschließlich meine persönlichen Erfahrungen wieder.
Grundlagen
athletica ist ein US-basiertes Unternehmen mit einem Team aus Sportwissenschaftlern und Programmierern. Es gibt eine enge Verbindung zu HIITscience – einem weiteren Unternehmen, bei dem es um die Wissenschaft und Anwendung von High-Intensity Interval Training geht. Dass die beiden Köpfe Paul Laursen und Martin Buchheit sich damit auskennen, beweist ihr Fachbuch, das ich als eines der Standardwerke in diesem Bereich wahrnehme:
Die hier entwickelten Trainingsprinzipien und konkreten Trainingspläne sind Grundlage für athletica.ai geworden. Und während sich HIITscience um Beratung und Wissensvermittlung kümmert, geht es bei athletica.ai um die ganz konkrete Anwendung auf das eigene Training.
Bei athletica gibt es keine Geheimnisse – nach eigenen Angaben. Und das ist auch nachvollziehbar:
- der Trainingsplan ist vom ersten Tag an vollständig einsehbar (passt sich mit der Zeit aber natürlich noch dynamisch an)
- die Grundlagen der Pläne sind im Buch beschrieben und wissenschaftlich hergeleitet
- im Forum darf jede Frage gestellt werden und wird nach meiner Beobachtung auch immer zügig beantwortet
- es gibt einen Blog mit ausführlichen Erklärungen zu einzelnen Themen oder neuen Funktionen
- der wöchentliche Podcast führt Gespräche mit Experten und beleuchtet viele Aspekte, die in athletica.ai einfließen
Entwicklungsstand von athletica.ai
Die Plattform befindet sich in konstanter Entwicklung. Athletica wurde 2019 gegründet. Als ich 2022/2023 erstmals reinschaute, war die Plattform noch in einem sehr frühen Entwicklungsstadium. Der war noch meilenweit vom aktuellen Stand entfernt.
Das kleine Team aus derzeit 10 Personen (laut Website) ist weiterhin dabei, grundlegende Funktionen zu optimieren und den Funktionsumfang nach und nach zu erweitern.
Neue Features stehen zunächst nur Beta-Nutzern zur Verfügung und werden später für alle freigegeben. Der Zugang zum Beta-Programm steht allen zahlenden Nutzern offen. Ich nutze ebenfalls die Beta-Version – einige beschriebene Features könnten sich also noch in der Testphase befinden.
An den Release Notes lässt sich gut ablesen, wie regelmäßig hier Updates veröffentlicht werden und die Plattform erweitern. Besonders in den letzten Wochen war das Tempo hoch – allein im März gab es sieben Updates! Viele Ideen und Hinweise aus dem Forum fließen direkt in die Weiterentwicklung ein.
Prinzipien
3-stufiges Trainingsplanmodell
Athletica unterscheidet zwischen drei Einstiegsniveaus: Anfänger, ambitionierte und wettkampforientierte Läufer. Diese Basispläne – entwickelt aus den Erkenntnissen des Fachbuchs – dienen als Grundlage für die individuelle Trainingsplanung. Zusätzlich lässt sich angeben, wie viel Trainingszeit pro Woche zur Verfügung steht.
Die Wochenstruktur folgt einem festen Muster, das je nach Trainingsphase leicht angepasst wird. Das bedeutet: donnerstags sind dann zum Beispiel immer VO2max-Intervalle dran. Anzahl der Wiederholungen und Gesamtdauer variieren jedoch von Woche zu Woche. In einer Erholungswoche fallen die Intervalle auch mal ganz weg.
7 Trainingszonen
Das Modell von Athletica nutzt sieben Trainingszonen. Die beiden höchsten sind allerdings nur für sehr kurze Sprintbelastungen gedacht. Im Wesentlichen fußt das System also auf den bekannten 5 Zonen. Man kann sein gewohntes Verständnis von ‚Zone 2‘-Läufen problemlos weiter nutzen.
Die Zonen werden abhängig vom aktuellen Schwellenwert berechnet und beruhen für Läufer auf Herzfrequenz oder Pace. Eine Aktualisierung erfolgt bei Detektion auf Grundlage der Trainingsaufzeichnungen oder über die (optionale) Testwoche am Beginn eines Trainingsplans.
Belastungssteuerung
Auch hier setzt athletica auf wissenschaftlich bewährte Konzepte und nutzt eine eigene Abwandlung des Banister-Modells, um Fitness, Form und Fatigue zu beschreiben. Neben objektiven Daten analysiert Athletica auch subjektive Rückmeldungen wie die RPE und Kommentare aus dem Trainingstagebuch.
Überhaupt ist an dieser Stelle die Intelligenz des Systems am spürbarsten, denn eine Abweichung vom Trainingsload einer Einheit führt fast immer zur Anpassung von Folgeeinheiten in der gleichen Woche.
Auch dies geschieht transparent, denn es sind weiterhin nicht nur die ursprünglich geplanten Parameter zu sehen: athletica erklärt auch den Grund der Anpassung.
Trainingsvorgaben werden entweder nach Herzfrequenz oder nach Pace gemacht. Im intelligenten Modus kümmert sich athletica selbständig darum, welche Metrik für die jeweilige Einheit am sinnvollsten ist. Grundlagenläufe werden dann nach Herzfrequenz gesteuert, alles andere nach Pace. An der sauberen Integration von Power (zum Beispiel über den Stryd) arbeitet man aktuell noch (Stand 06/2025).
Einstieg in athletica.ai
Randbedingungen
- athletica ist bislang nur auf Englisch nutzbar. Weitere Sprachen sind wohl vorerst nicht vorgesehen.
- Die Nutzung der Plattform erfolgt über die Website. Es gibt mittlerweile aber auch eine App mit eingeschränktem Funktionsumfang.
- Um alle Funktionen nutzen zu können, sollte man athletica mit einer Garmin-Uhr koppeln. Über Intervals.icu können auch Geräte anderer Hersteller angebunden werden.
Aufsetzen des Trainingsplans
Zum Einstieg bekommt man bei athletica zwei kostenlose Wochen, in denen man das System auf Herz und Nieren testen kann. Danach kostet die Nutzung 20$ pro Monat.
Bei der Registrierung wird man durch einen Dialog zur Erfassung der notwendigen Grundlagen geführt. Dazu gehören natürlich einige persönliche Angaben (Username, Passwort, E-Mail, Alter), aber bereits im zweiten Schritt die Verknüpfungen zu anderen Plattformen.
Nach meiner Erfahrung lohnt es sich, den Garmin-Account (und ggf. Strava) direkt zu koppeln. So bekommt athletica eine gute Grundlage der letzten sechs Trainingswochen, um darauf mit dem Trainingsplan aufsetzen zu können.
Im nächsten Schritt fragt Athletica nach der bevorzugten Sportart. athletica ist hier breit aufgestellt und kann Trainingspläne für Triathlon, Duathlon, Laufen, Radfahren oder Rudern erstellen. Als Neuestes ist auch HIROX hinzu gekommen. In drei Stufen lässt sich dann noch sein Erfahrungslevel von Einsteiger bis Profi einstellen und die pro Woche zur Verfügung stehenden Trainingsstunden.
Wer seine Schwellenwerte kennt, kann sie im nächsten Screen eintragen (Pace und Herzfrequenz fürs Laufen) oder lässt sie vom System im Rahmen einer Testwoche ermitteln.
Grundsätzlich kann athletica die komplette Saison mit mehreren Wettkämpfen planen, allerdings kann man ins Training auch erstmal ohne konkretes Ziel einsteigen.
Anschließend sollte man dem System ausreichend Zeit geben, um die Trainingshistorie zu importieren und auszuwerten. Die Datenanalyse im Hintergrund erkennt man an den drehenden Pfeilen oben rechts. Trotzdem kann man sich natürlich bereits auf der Plattform orientieren.
Unterstützung
Zur Einführung empfiehlt sich ein Blick in den Bereich „Help & Education“ – zu finden im Menü rechts oben. Der athletica Course bietet einen kompakten Einstieg in die wichtigsten Funktionen und Trainingsprinzipien. Das verlinkte E-Book ist nicht vollständig auf dem aktuellen Stand, enthält aber viele hilfreiche Grundlagen wie das Zonenmodell.
Ein echtes Highlight ist für mich das Forum, das ich häufig und gerne nutze. Gerade in der Anfangsphase lassen sich viele Unsicherheiten hier schnell klären. Wenn Fragen nicht schon durch die anderen User beantwortet werden, melden sich garantiert kurzfristig die athletica-Entwickler mit einer Antwort oder Rückfragen. Das geht von ganz grundsätzlichen Fragen zum Training bis zu sehr speziellen Problemfällen oder individuellen Funktionswünschen. Das Entwicklerteam ist aktiv im Forum vertreten und geht offen auf Rückmeldungen und Probleme ein.
Aufbau und Funktionen
Übersicht
Zur ersten Orientierung empfiehlt sich ein Blick auf die vier Reiter im oberen Bildschirmbereich. Auf der Übersichtsseite sieht man oben fünf Statusinformationen für den aktuellen Tag. Direkt darunter findet sich die Grafik zum „Performance Potential“ – einer abgewandelten Belastungsberechnung nach Banister.
Zusätzlich zur Zonenübersicht erhält man rechts einen Überblick über die geplante Periodisierung der kommenden Wochen.
Trainingsplan
Der zweite Reiter zeigt den Trainingsplan als Wochenübersicht. Links finden sich Infos zu den Wochenkilometern und möglichen Hinweisen der KI zum Plan.
Der aktuelle Periodisierungsschritt ist oberhalb des Plans klar erkennbar. So sehe ich zum Beispiel, dass ich mich in der Builtwoche eines 10k-Plans mit mittlerem Volumen befinde. So erkennt man Built-, Taper- oder Recoveryphasen genau so wie den Wechsel zwischen einem 10k- oder Halbmarathonplan.
Jede Trainingseinheit enthält einen Erklärungstext zum Zweck der Session und eine Kurzbeschreibung der einzelnen Abschnitte (falls vorhanden) mit Angabe der vorgegebenen Zonen. Vier Symbole führen zu ergänzenden Erklärungen im Video- oder Podcastformat. Das ist gerade bei komplexeren Einheiten sehr hilfreich.
Über die Schaltflächen kann man sich durch die Wochen bewegen oder wieder zurück zur aktuellen Woche springen. Nur die kommenden ein bis zwei Wochen werden dynamisch an die Trainingsdaten angepasst. Weiter hinten bleibt der Plan zunächst generisch (und stark wiederholend). Diese Vorschau über mehrere Wochen hinweg ist bei KI-Trainingsplänen sonst selten – hier aber problemlos möglich.
Charts
Unter dem Reiter Charts sind eine ganze Reihe von grafischen Auswertungen zusammengefasst. Allen voran sieht man dort das „Performance Potential„, also die Darstellung der Belastungssteuerung.
Dann gibt es fürs Radfahren, Laufen, Schwimmen und Rudern jeweils noch Pace- bzw. Power-Profile. Das Recovery-Profile basiert auf den täglichen HRV-Messungen und liefert Rückschlüsse zur Erholung.
Athletica.ai kann dabei grundsätzlich mit verschiedenen Quellen arbeiten. Die nächtliche Messung mit Garmin-Uhren wird direkt unterstützt. Es lassen sich aber auch Werte aus intervals.icu übernehmen, was weitere Möglichkeiten eröffnet. Meine HRV-Messungen erfasse ich mit HRV4Training und übertrage sie manuell zu Intervals.icu – so landen sie dann auch bei Athletica.
Saisonplanung mit athletica.ai
Wer sich auf einen konkreten Wettkampf oder gleich auf eine ganze Saison mit Athletica vorbereiten will, kann die geplanten Events in den Einstellungen unter „Goals“ hinterlegen. Dazu muss neben dem Titel mindestens das Datum und der Typ des Wettkampfs (10k, Halbmarathon, Marathon, …) angegeben werden. Auch die Priorität ist eine Pflichtangabe und beeinflusst die Länge des Taperings vor dem Wettkampftag.
Manuelle Eingriffe
Der Vorteil eines intelligenten Trainingsplans wie bei athletica ist natürlich, dass er auf manuelle Eingriffe jederzeit reagieren kann. Trainingseinheiten lassen sich per Drag&Drop im Kalender verschieben, um sie dem persönlichen Zeitmanagement anzupassen. Falls notwendig reagieren dann weitere Einheiten auf diese Anpassung.
Ein echtes Highlight ist auch der Workout-Wizard. Hier hält der KI-Trainer Alternativen zum geplanten Training bereit. Hat man wenig Zeit, kann man statt einem Dauerlauf ein Intervall-Training wählen. Oder das Intervall-Training gegen einen Dauerlauf austauschen, wenn man noch zu erschöpft von der letzten Einheit ist.
Es lässt sich auch aus der sehr wiederholenden Struktur des Trainingsplans ausbrechen und man wählt mal eine etwas andere Variante der Session mit dem ansonsten gleichen Trainingseffekt. Bei Verletzungen kann man aus einer Bandbreite von Alternativen auswählen, die von Schwimmen oder Radfahren bis zu Stretching oder Yoga gehen. Und schließlich kann man auch einfach mal die Sportart wechseln und den Trainingsreiz auf dem Rad, im Schwimmbad oder auf der Rudermaschine holen.
Erweiterte Funktionen
Athletica.ai hält noch weitere Funktionen bereit, die man vielleicht nicht auf den ersten Blick entdeckt. Zum Beispiel kann man seine Verfügbarkeit an den einzelnen Wochentagen als Grundlage für den Trainingsplan hinterlegen. Ich habe dienstags zum Beispiel immer Taekwondo-Training und möchte nicht, dass Athletica diesen Tag verplant. Also habe ich hier einen Ruhetag vorgegeben.
Freitags bin ich ans Haus gebunden, könnte aber natürlich Krafttraining machen oder Indoor Rudern. Allerdings habe ich meist weniger als eine Stunde Zeit. Auch das lässt sich hinterlegen. Gleichzeitig bekommt man ein Feedback darüber, ob man der KI vielleicht schon zu viele Grenzen gesetzt hat und welche Einstellungen man besser nochmal prüfen sollte.
Auch die Bibliothek aus eigenen oder vorkonfigurierten Trainingseinheiten entdeckt man nicht sofort. Sie ist über die linke Seitenleiste in der Trainingsplan-Ansicht zu erreichen. Hier kann man eigene Workouts ablegen, die man im Wochenplan bei Bedarf manuell ergänzen möchte. Ansonsten kann man über die Global Library auf alle Standardsessions von Athletica zugreifen.
Anbindung von weiteren Plattformen
Strava
Über Strava landen vor allem die Trainingsaufzeichnungen und damit auch die komplette Historie auf athletica.ai. Diese Daten bilden eine wichtige Grundlage, wenn man mit dem Tool startet. Aber auch im laufenden Betrieb finde ich den Sync sehr hilfreich, denn so landen auch Belastungen bei der KI, die ich z.B. nicht über eine Uhr aufzeichne (Taekwondo, Yoga, …). Athletica kümmert sich dann auch um die Benennung der Einheit, wenn sie im Trainingsplan stand.
Garmin
Als ich vor einem halben Jahr mit athletica.ai gestartet bin, konnten nur Garmin-Uhren eingebunden werden. Vom Sync mit der Plattform profitiert man durch die Übertragung von geplanten Trainingseinheiten, die man dann angeleitet ausführen kann – samt Pace- oder Herzfrequenzvorgaben für die einzelnen Abschnitte. Umgekehrt landen die aufgezeichneten Daten dann wieder bei Athletica.
Ein weiterer Vorteil ist die Übertragung der nächtlichen HRV-Messungen, wenn man seine Uhr 24/7 trägt. Athletica ist einer der wenigen Plattformen, die daraus Entscheidungen für die Trainingssteuerung ableiten können. Wobei ich nicht ganz sicher bin, ob die Ergebnisse wirklich in die KI eingreifen. Deren Einschätzung wird aber in jedem Fall im Wochenbericht oder dem Recovery Profile kommuniziert.
Das ist ehrlich gesagt immer noch der Königsweg, auch wenn mittlerweile andere Optionen zur Verfügung stehen.
Intervals.icu
Besonders gefreut hatte mich die Nachricht, dass Intervals.icu vollständig angebunden wurde. Das ist seit einiger Zeit mein Trainingstagebuch der Wahl und hat TrainingPeaks komplett ersetzt. In Verbindung mit athletica.ai eröffnen sich ganz neue Möglichkeiten. Denn da Athletica seinen kompletten Trainingsplan dorthin exportiert, lassen sich die Einheiten auch auf alle Uhren übertragen, die Intervals.icu unterstützt – also auch Suunto, Coros oder Polar. Deren Aufzeichnungen würden natürlich auch per Strava wieder bei Athletica landen, aber über Intervals.icu besteht nun eine weitere Option.
Ein großer Vorteil ist die Anbindung auch deshalb für mich, weil ich nicht mehr auf die HRV-Messung von Garmin angewiesen bin. Denn ich messe seit Jahren jeden Morgen mit HRV4Training und wollte das natürlich gerne beibehalten. Da diese Daten sowieso auf Intervals.icu landen, stehen sie nun also auch Athletica zur Verfügung. Perfekt!
Wahoo und Concept2
Athletica.ai wendet sich aber nicht nur an Läufer, daher gibt es weitere Anbindungen zum Beispiel an Wahoo. Deren Fahrradcomputer und Rollentrainer sind auch weit verbreitet und lassen sich über Athletica direkt anbinden.
Außerdem ist Athletica.ai wohl eine der wenigen Plattformen, die KI-Trainingspläne fürs Rudern erstellen können. Auch hier gibt es einen Sync mit dem Logbuch von Concept2, dem führenden Anbieter von Indoor-Rudermaschinen.
Meine Erfahrungen mit Athletica.ai
Trainingsalltag
Ich benutze Athletica.ai seit sechs Monaten zur Trainingsplanung und habe damit wirklich gearbeitet. Das bedeutet, es gab von Anfang an keine Parallelplanung auf anderen Plattformen als Sicherheitsnetz. Ich habe mich voll auf das System verlassen.
Transparenz
Mir hat sehr gefallen, dass Athletica die gesamte Saison vorplant und ich über die Wochenblöcke immer nachvollziehen kann, welche Trainingsphasen das System vorgesehen hat. Für jede Woche gibt es einen konkreten Plan mit allen Einheiten und ich konnte zum Beispiel leicht prüfen, ob die gewählten Parameter für die Trainingsplanerstellung zu einem sinnvollen Ergebnis geführt haben. Dazu muss man sich nur mal die Wochenkilometer ansehen oder auch Anzahl und Inhalt der Einheiten. Das hat mir sehr dabei geholfen, meine Vorgaben zu optimieren.

Gelandet bin ich dann beim Experience-Level „Recreational“ und 4-6 Wochenstunden, was zu einem Mid-Volume-Plan führt. Das wiederum bedeuten bei mir 35-50 Kilometer pro Woche, wobei die Standard-Woche ungefähr bei 45 Kilometern liegt (in der Vorbereitung auf einen Halbmarathon). Die 10k-Wochen liegen etwas darunter.
Wochenstruktur
Die Wochenstruktur ist immer gleich und das hat mich zunächst irritiert. Will ich wirklich an jedem Donnerstag 30/30-HIIT-Intervalle machen? Meine Erfahrung war schon nach den ersten Wochen: ja, will ich! Denn diese verlässliche Struktur hilft ungemein bei der Integration des Trainings in den Alltag. Es ist auch für den Kopf gut zu wissen, an welchen Tagen man sich auf eine höhere Belastung einstellen muss.
Es schafft auch eine Vergleichbarkeit der Einheiten und dadurch einen besseren Einblick in den eigenen Trainingsfortschritt. Gerade letzte Woche habe ich noch bemerkt, dass ich die 30/30-HIIT-Intervalle mittlerweile 15 s/km schneller laufe als noch vor vier Wochen.
Anfangs haben mir auch die Erklärungen per Spotify oder Youtube zu den einzelnen Einheiten sehr geholfen, um die Inhalte und die Ideen dahinter besser zu verstehen. Vor allem natürlich bei den Qualitätseinheiten. Das war aber nur eine sehr kurze Phase, denn durch die Wiederholungen geht einem die Struktur bald in Fleisch und Blut über.
Belastungssteuerung
Auch die Belastungssteuerung passt für mich sehr gut. Anfangs war ich mir nicht so sicher, ob ich die Wochenumfänge regelmäßig leisten kann. Und ehrlich gesagt habe ich auch manchmal eine Einheit gekürzt oder ausgelassen – vor allem in den ersten Wochen. Aber die Adaption hat sehr schnell gegriffen und grundsätzlich hat mich der Plan auch nie unter- oder überfordert. Schließlich werden ja auch regelmäßig Recovery-Wochen eingeplant.
In den vergangenen sechs Monaten habe ich so viel trainiert wie schon sehr lange nicht mehr (Umfang, Intensität und Häufigkeit). Trotzdem war ich nicht verletzt und auch nicht krank. Meine HRV war stabil. Da scheint Athletica also einen sehr guten Job gemacht zu haben.
Ergänzende Trainingseinheiten
Neben reinen Laufeinheiten gab es in meinen Trainingsplänen immer auch ergänzende Workouts. Anfangs waren das Radfahreinheiten, die Grundlagenläufe ersetzt haben. In der konkreteren Wettkampfvorbereitung wurde daraus dann Kraft- bzw. Stabitraining, zu dem auch plyometrische Übungen gehören. Gerade die haben mich ziemlich nach vorne gebracht!
Manchmal haben mich diese Einheiten aber ehrlich gesagt auch gestört und ich wäre sie gerne los geworden. Das geht leider nicht per Voreinstellung. Aber manuell kann man natürlich auch jederzeit eingreifen, die Einheit löschen und gegen eine andere aus der Bibliothek ersetzen. Oder einfach mal einen Tag Pause machen.
KI-Anpassungen des Trainingsplans
Es hat nur ein paar Wochen gedauert bis ich zum ersten Mal bemerkt habe, dass sich die KI an mich anpasst. Denn noch bevor man die Verfügbarkeit an Wochentagen einstellen konnte, hat Athletica schnell gemerkt, dass ich die Freitagseinheiten immer manuell verschoben habe und hat dann stattdessen einen Ruhetag geplant.
Besonders an den HIIT-Einheiten konnte ich auch schnell die Anpassung der KI nachvollziehen. Zunächst stand immer dieselbe Einheit im Trainingsplan, die aber schon sehr bald variiert wurde. Aus 1x5x30s wurden dann 1x8x30s oder 2x6x30s und so weiter. Das betrifft die anderen Trainingsinhalte natürlich auch, aber bei den Intervallen ist das offensichtlicher.
Nach jeder absolvierten Einheit gibt es auch ein Feedback vom KI-Coach, der mich zum Beispiel für die gute Einhaltung der Zonen gelobt hat oder auch mal erinnert, sich besser daran zu halten. Grundsätzlich gilt aber, dass die Entwickler von Athletica sich einen „mündigen Athleten“ wünschen, der das System zwar als Werkzeug benutzt, aber seine eigenen Entscheidungen trifft. An die soll sich dann die KI anpassen und nicht umgekehrt.
Umgang mit der Saisonplanung
Wie oben schon erwähnt, kann Athletica nicht nur mit einem konkreten Wettkampfziel umgehen, sondern gleich die ganze Saison planen. Bei mir hat das konkret bedeutet, neben dem Enschede Halbmarathon im Frühjahr gleich auch die komplette Westmünsterland-Laufserie mitzuplanen.
Die Laufserie besteht aus 10 Läufen, die teilweise sehr dicht (eine Woche Abstand) beieinander liegen. Hier musste ich zum Einen klare Prioritäten setzen, da natürlich nicht jeder Lauf ein A-Rennen sein kann. Doch auch wenn man mit B- und C-Prioritäten arbeitet, kamen mir im Trainingsplan zu viele Taper- und Recovery-Wochen vor.
Daher habe ich dem KI-Trainer nur die A-Wettkämpfe verraten und habe die anderen Läufe aus dem Training heraus gemacht. In der jeweiligen Woche habe ich die Qualitätseinheit mit dem höchsten Load auf den Wettkampftag gelegt. Hier darf man die KI nicht unterschätzen, denn natürlich will sie direkt wieder umplanen und den ursprünglichen Plan wieder herstellen.
Was mir in der konkreten Wettkampfvorbereitung auf den Halbmarathon aufgefallen ist: im Plan kommen nicht die üblichen langen Läufe am Wochenende vor. Laut Athletica wäre die längste Strecke im Training so ca. 16 km gewesen. Das ist bewusst so gemacht, denn bei 4 Trainingseinheiten in der Woche und ca. 50 Wochenkilometern geht man davon aus, dass man den ganz langen Lauf nicht braucht.
Wettkampfergebnisse
Ob das alles zu den gewünschten Ergebnissen führt, merkt man vor allem am Wettkampftag. Für mich war der erste „Tag der Wahrheit“ der Halbmarathon in Enschede, auf den ich mich vier Monate lang mit Athletica vorbereitet habe. Erst im letzten Jahr habe ich es beim Köln Halbmarathon nach Jahren wieder geschafft, unter 1:45h zu bleiben. Ich bin sogar knapp unter 1:44h geblieben und hatte daher für Enschede die Hoffnung, vielleicht sogar eine 1:43h zu laufen – wenn es richtig gut läuft. Mit 1:41:50 habe ich mein Wunschziel mehr als deutlich unterboten und bin damit (alterskorrigiert) meinen bisher besten Halbmarathon gelaufen!
Auch bei den anschließenden 10-km-Läufen konnte ich meine persönlichen Streckenbestzeiten verbessern oder zumindest bestätigen. Das sind Zeiten, die teilweise Jahre zurückliegen und die ich eigentlich nicht dachte nochmal angehen zu können. Mit der Vorbereitung durch den Athletica-Trainingsplan habe ich diese Lücke mit einem riesigen Sprung geschlossen.
Stolpersteine
Wo Licht ist, ist meist auch Schatten. Aber das scheint bei Atheltica.ai vor allem daran zu liegen, dass die Plattform verhältnismäßig jung ist und man einfach noch keine Zeit hatte, diese Themen anzugehen.
Bei manuellen Eingriffen in den Trainingsplan (Einheit gelöscht oder verschoben, Event ergänzt, Schwellenwerte geändert, …) wird eine Neuberechnung angestoßen, die meist nach wenigen Momenten, spätestens nach ein paar Minuten abgeschlossen ist. Manchmal fällt mir dann auf, das zwar die nächsten Einheiten sinnvoll angepasst wurden, aber die darauffolgende Woche Merkwürdigkeiten aufweist. Die sind meist nach ca. 12 Stunden Wartezeit (über Nacht) behoben, wodurch die Trainingsplanung zeitweise unklar wirkt.
Auch der Umgang mit den Wettkampftagen kann noch ein paar Programmierstunden vertragen: Wettkämpfe dürfen bei Athletica nämlich nur an einem Wochenende liegen und können auch nicht in die Woche verschoben werden – zum Beispiel bei einem Event an einem Feiertag. In dem Fall ist dann der „mündige Athlet“ gefragt… Genau so scheint die KI den Wettkampftag selbst nicht als geplante Einheit zu kennen. Denn am Folgetag muss man sich Vorwürfe wegen dem ungeplanten hohen Workload gefallen lassen…
Was eigentlich im Rahmen der Beta-Funktionen möglich sein soll, ist das Training nach Watt. Auch wenn man auf der Plattform sinnvolle Power-Werte für die Sessions angezeigt bekommt, basieren die strukturierten Trainingseinheiten bei Garmin trotzdem auf Pace oder Herzfrequenz. Die Umsetzung ist aber sicher nur eine Frage der Zeit.
Support und Entwicklungsgeschwindigkeit
Grundsätzlich ist die Entwicklungsgeschwindigkeit, gerade seit ein paar Monaten, sehr hoch. So hoch, dass ich meinen Artikel während der Erstellung mehrfach anpassen musste, um auf dem neusten Stand zu bleiben. Dabei werden neue Funktionen zuerst den Beta-Usern zugänglich gemacht, dann aber auch sehr schnell allen Usern zur Verfügung gestellt.
Beta-User wird man durch eine einfache Anfrage im Forum, das für mich nahezu tägliche Anlaufstelle ist. Denn hier ist scheinbar das komplette Athletica-Team vertreten, vom Mitgründer Paul Laursen (@prof) über Marjaana bis hin zu den Entwicklern. Und auch viele engagierte und erfahrende Nutzer sorgen dafür, dass alle Fragen dort innerhalb kürzester Zeit geklärt werden können. Und sollte das einmal nicht möglich sein, weil man zum Beispiel nach einer Funktion fragt, die erst noch entwickelt wird, bekommt man immer eine sehr transparente Antwort. Ich finde die Arbeit im Forum sehr vorbildlich!
Vergleich mit anderen Plattformen
Ich trainiere mittlerweile seit drei Jahren ausschließlich nach KI-Trainingsplänen von verschiedenen Plattformen und habe damit grundsätzlich gute Erfahrungen gemacht. Es gibt allerdings doch deutliche Unterschiede im direkten Vergleich.
athletica.ai vs Enduco
Das deutsche Start-Up Enduco und dessen Trainingspläne kenne ich seit 2022. Es gibt viele Gemeinsamkeiten mit athletica.ai:
- Trainingspläne für Läufer und Radfahrer
- Komplette Saisonplanung möglich
- Gute Belastungssteuerung
- Berücksichtigung des Zeitrahmens pro Wochentag
- Berücksichtigung von subjektiver Belastung (RPE)
Was mir bei Athletica im Vergleich aber deutlich besser gefällt, ist die Transparenz. Im Gegensatz zu Enduco sehe ich den gesamten Trainingsplan für die ganze Saison und nicht nur die nächste Woche. Auch die Grundlagen des Trainingsplans sind bei Athletica über das Buch deutlich nachvollziehbarer.
Und auch wenn mir die Enduco-App sehr gut gefällt, finde ich eine Website wie bei Athletica für die Bedienung doch komfortabler.
Das stärkste Argument ist aber sicher, dass ich durch das Training mit atheltica.ai viel bessere Erfolge bei den Wettkämpfen hatte. Auch wenn die Ergebnisse mit Enduco immer solide waren, habe ich nie so große Fortschritte gemacht wie mit Athletica.
Allerdings kostet Enduco mit 10 € pro Monat (bei einem langfristigen Abo) auch nur die Hälfte.
athletica.ai vs TRAIT (vorher TWAIV)
Auch mit TWAIV habe ich gute Erfahrungen im Training gemacht. Es liegen fundierte Trainingspläne zu Grunde, die aber auch wieder nicht transparent gemacht werden. Dafür kann man den Plan komplett einsehen – auch wenn irgendwann nur noch die Schlüsseleinheiten angezeigt werden.
Der größte Unterschied liegt für mich im Fokus der beiden Angebote: TRAIT hat meiner Ansicht nach vor allem den Laufanfänger im Blick und punktet mit vielen guten Ideen, um einfach dran zu bleiben. Auch das Informationsangebot, die Preisstruktur und die zusätzlichen Übungen richten sich klar an diese Zielgruppe.
Die Trainingspläne von Athletica sind für Einsteiger genau so gut nutzbar, allerdings wird doch etwas mehr an grundlegendem Wissen vorausgesetzt. Im Vergleich zu TRAIT setzt Athletica auch stärker auf Eigeninitiative. Seine Stärken spielt athletica.ai sicher erst bei ambitionierten Hobbyläufern oder Profis aus.
Meine Meinung
Wie Du siehst habe ich mich umfassend mit athletica.ai beschäftigt und ein halbes Jahr lang Erfahrungen damit gesammelt. Dazu gehören vor allem Wettkämpfe mit neuen Bestzeiten, was sicher die beste Grundlage zur Beurteilung von Trainingsplänen ist. 😉 Dahingehend hat Athletica mich voll überzeugt und wird auch zukünftig mein Training planen.
Gleichzeitig ist athletica.ai aber nicht perfekt. Es tauchen immer mal wieder kleinere technische Probleme auf und auch größere Bausteine wie die freie Wahl der Wettkampftage oder das Training nach Watt sind noch nicht umgesetzt. Daher ist natürlich abzuwägen, ob man das bei einem kostenpflichtigen Angebot, was mit 20 $ pro Monat auch nicht ganz billig ist, akzeptieren kann.
Für mich geht die Gleichung aber vor allem daher auf, weil ein sehr engagiertes Team dahinter steckt und es sehr regelmäßige Fortschritte in der Entwicklung von athletica.ai gibt. Auch die Betreuung über das Forum ist vorbildlich, so dass kleine Stolpersteine immer leicht überwunden wurden.
Das Wichtigste ist aber: ich habe noch nie so gut und erfolgreich trainiert wie mit athletica.ai! Das Training lässt sich ideal auf meine Ziele, mein Leistungsniveau und die verfügbare Zeit anpassen – und reagiert jederzeit auf Abweichungen und manuelle Anpassungen. Athletica hat es geschafft, mich konstant auf einem effektiven Niveau zu halten – ohne mich zu überlasten. Zu guter Letzt macht mir das Training mit Athletica auch noch großen Spaß. 😀