Bei mir ist das immer so eine Sache mit den Hersteller-Plattformen. Eigentlich benutze ich sie nur für den Import der Daten von der Uhr und den Export zu anderen Plattformen wie TrainingPeaks oder Runalyze.
Inhalt / Content
Einstieg
Doch spätestens seitdem ich die Polar Vantage V getestet habe, hat Polar Flow für mich da einen besonderen Status. Einige Funktionen finde ich so hilfreich, dass ich sie mit anderen Tools nachgebaut habe. Diese Tools sammeln sich bei mir – und kosten leider oft auch Geld. Dass es auch anders geht, beweist Stryd seit kurzem mit seinem neuen PowerCenter und bietet erstmals kostenlos Funktionen, die bisher dem teuren WKO vorbehalten waren.
Was würde mir also Polar Flow bieten und was würde mir darüber hinaus dann noch fehlen, um mein jetziges Setup (zumindest in den wesentlichen Punkten) nachzubilden? Im Netz habe ich kaum Erfahrungsberichte oder gar Anleitungen zu der Plattform gefunden, daher muss ich wohl selbst ran… Heraus gekommen ist eine „Bedienungsanleitung“ und die Erarbeitung der Antworten auf meine Fragen für mich. :)
Hinweis: genau genommen ist Polar Flow sowohl ein Web-Service, als auch eine Handy-App. Die Funktionalität ist zwar größtenteils deckungsgleich, aber ich habe mich hier ausschließlich mit der Webseite Polar Flow beschäftigt.
Überblick
Polar Flow ist die Hersteller-Plattform des finnischen Uhrenherstellers Polar (wer hätte das gedacht…). Alle Laufuhren, Fitness-Armbänder, Bike-Computer und Waagen übertragen ihre Daten an diesen zentralen Ort, wo sie ein gemeinsames Bild über das „sportliche Ich“ ergeben. Besonders interessant ist dabei der Punkt „gemeinsames Bild“, denn anders als auf manchen anderen Portalen werden hier die Daten der verschiedenen Geräte nicht einfach addiert, sondern sinnvoll zusammengeführt. Trägt man zum Beispiel den ganzen Tag über ein Fitness-Armband und zum Laufen zusätzlich noch eine Laufuhr, werden die Schritte der Aktivität nicht doppelt in Flow verbucht. Auch bei einem Wechsel des Geräts gehen die Aktivitätsdaten nahtlos ineinander über.
Profil
Dem entsprechend muss man auf der Plattform immer zwischen gemeinsamen und gerätespezifischen Daten unterschieden. Im Profil finden sich Einstellungen, die übergreifend gelten. Man erreicht es über das Dropdown-Menü rechts oben (Benutzername).
Konto
Zu den persönlichen Einstellungen gehören natürlich Angaben wie Gewicht oder Alter, aber auch die VO2max und die Herzfrequenz-Schwellenwerte. Diese Angaben sollte man nicht leichtfertig übergehen, denn sie sind eine wichtige Grundlage für weitere Berechnungen (z.B. für Trainingload Pro). Wer die Schwellenwerte nicht über eine Leistungsdiagnostik bestimmt hat, fährt mit der rechnerischen Ableitung von Maximal- und Ruhepuls gar nicht so schlecht. Wie man an die Werte wiederum kommt, erkläre ich später.
Tägliches Aktivitätsziel
Das Aktivitätsziel ist ein Konzept, dass aus dem Activity-Tracking stammt. Die Frage ist also: „Habe ich mich heute genug bewegt?“ Dazu kann man sich in eines von drei Niveaus einordnen, zu denen jeweils aufgeführt ist, mit welcher Dauer in welcher Intensität man sein Tagesziel erreichen könnte. Über die Erfüllung gibt nicht nur Polar Flow Auskunft, sondern auch die Uhr am Handgelenk.
Dein Profil
Wer ein Lebensmotto hat, kann es hier endlich mal rein schreiben. ;) Ansonsten haben die Angaben hier eher Auswirkungen auf die Community-Funktionen als auf die Trainingsauswertung. Das hinterlegte Foto kann zumindest den Profil-Reiter etwas aufhübschen.
Datenschutz
Wer soll Deine Aktivitäten und Dein Profil sehen können? Hier kannst Du es einstellen und zusätzlich noch den Umgang mit Deinen personenbezogenen Daten regeln.
Allgemein
Mir ist ja bekannt, dass man sich über den ersten Tag der Woche uneinig sein kann. Sollte das für Dich der Samstag sein: das hier ist vermutlich die einzige Stelle, an der man diese Auffassung als Option findet. Der Rest legt ein paar Vorgaben zur Anzeige von Daten fest. Die Sprache für Polar Flow kann man auch einstellen, aber nach meiner Erfahrung findet man sich trotzdem viel zu häufig auf einer englischen Plattform wieder…
Benachrichtigungseinstellungen
Ein Bild sagt mehr als… Also guck einfach. ;)
Partner
Hier wird es wieder wichtig und auch spannend: die verbundenen Dienste sind natürlich ein wichtiges Feature. Meine hochgeladenen Einheiten wandern direkt zu Strava, TrainingPeaks, Runalyze und ins Stryd PowerCenter. Wie ich sehe, habe ich bisher noch keine Verbindung zu meinem Komoot-Account hergestellt, was aber spätestens für die Navigation mit der neuen Grit X wichtig sein wird. Garmin hat gerade auch einen Komoot-Sync eingeführt, so daß die Plattform wahrscheinlich grundsätzlich etwas mehr Aufmerksamkeit verdient.
An den Kontozugriff-Einstellungen oben sieht man, dass ich mit „Polar Coach“ gespielt habe. Darauf will ich hier aber nicht weiter eingehen.
Favoriten
Das Sternchen rechts oben verweist auf die Favoriten – einer Sammlung von Strecken und Segmenten, die man mit seinen Uhren synchronisieren kann. Das kann man pro Gerät einzeln festlegen. Die Routen stammen entweder aus Polar Flow selbst oder aus Komoot. Die Strava Live Segements speisen sich aus den Segmenten, die man auf Strava mit einem Sternchen versehen hat (bei mir quasi alle in der Gegend…). Als kleiner Service bringen einen die beiden Buttons neben dem Seitentitel direkt zur richtigen Seite auf der entsprechenden externen Plattform.
Updates
Ja, ich habe neben dem Sternchen noch den Benachrichtigungsbutton ausgelassen, mache aber direkt mit „Updates“ weiter. Hier hatte ich mir Informationen über die Firmware-Updates meiner Geräte erhofft. Man landet aber auf dem englischen Polar-Blog mit den neuesten News des Herstellers. Das kann auch interessant sein, entspricht aber halt nicht der Erwartung hinter dem Menüpunkt.
Das was ich hier erwartet hätte, nämlich ein Link zum Kundenservice, ist aber trotzdem vorhanden – ganz am unteren Rand der Seite als winziger Textlink.
Funktionen
Feed
So lange man sich nicht mit anderen Polar-Usern vernetzt, ist der Feed ziemlich uninteressant. Die Zusammenfassung der täglichen Aktivitäten wird unterbrochen von den Eintragungen der Trainingseinheiten… Nichts, was ich an anderer Stellen nicht deutlich sinnvoller einsehen könnte. Zum Glück ist es zwar der erste Menüpunkt, aber nicht die „Startseite“ von Polar Flow.
Erforsche
Was es hier zu entdecken gibt, sind die Trainingseinheiten und -strecken von anderen Polar-Läufern – solange die ihre Einheiten auf öffentlich gestellt haben oder man ihnen folgt. Für meine Heimatstadt ist das Ergebnis nicht besonders spannend, aber in den Nachbarorten lassen sich so durchaus Ideen für Laufstrecken finden.
Tagebuch
Tagebuch
Hier landet man normalerweise, wenn man Polar Flow öffnet. Ich wechsle von der Monatsansicht meist direkt in die Woche, denn hier kann ich mit den Zusammenfassungen mehr anfangen.
So sehe ich nämlich, dass ich in meiner aktuellen Ruhewoche schon einen Halbmarathon gelaufen bin, zu 85% in der HF-Zone 2 unterwegs war und damit zu 100% Basistraining absolviert habe. Damit habe ich also schon beim Start von Flow die Möglichkeit zu kontrollieren, ob ich mein Training (wie geplant) polarisiert ausführe, also ca. 80% der Zeit in den Zonen 1 und 2 verbringe. Das kann ich alternativ auch für die Leistungszonen machen, aber nicht (warum auch immer) für die Geschwindigkeitszonen.
Trainingshistorie
Zusätzlich zur Kalenderdarstellung kann man sich hier eine Liste seiner Läufe in einem bestimmten Zeitfenster anzeigen lassen. Voreingestellt sind die vergangenen 30 Tage. Manchmal findet man so eine gesuchte Einheit schneller, aber grundsätzlich nutze ich diesen Menüpunkt eher selten.
Aktivität
Wer sein Polar-Produkt 24h am Tag am Arm hat, bekommt hier einen guten Überblick über seine Aktivität. Sinnvoll und hilfreich finde ich zum Beispiel die Angabe der jeweils niedrigsten Herzfrequenz am Tag. Das kann nicht nur ein Indiz für den aktuellen Erholungszustand sein, sondern auch Grundlage für eine Eintragung der Ruhe-HF unter „Konto„.
Schlaf
Hier wird das grundlegende Sclaf-Tracking von Polar gezeigt, das mit eigentlich allen Produkten (sprich: Uhren und Fitness-Trackern) möglich ist. Gemessen und angezeigt wird dabei die Schlafdauer und die Unterbrechungen, woraus die Länge des tatsächlichen Schlafes resultiert. Nicht ohne Grund wird im oberen Teil des Fenster der Schlaf-Bericht „beworben“, denn die Vantage- und Grit-Modelle können hier noch etwas mehr.
Berichte
Während es im Tagebuch um die Betrachtung einzelner Trainingseinheiten oder sonstiger Einträge geht, sorgen die Berichte für einen größeren Überblick und betrachten Wochen oder Monate.
Training
Der Trainingsbericht gibt im Kopf einen schnellen Überblick über die im gewählten Zeitraum absolvierten Einheiten. In meinen bisher 15 Einheiten im Mai habe ich also schon insgesamt 164 Kilometer zurück gelegt. Die Grafik darunter besteht aus der Überlagerung eines Säulen- und Liniendiagramms, die sich jeweils individuell konfigurieren lassen. Ich bevorzuge die gezeigte Darstellung mit der Zeit in den Herzfrequenz-Zonen als Balken und der Entwicklung des Running Index als Linie. Man kann bis zu drei Linien darstellen lassen und auch bei den Balken lässt sich die Anzeige per Mausklick schnell anpassen.
Ähnlich wie im Tagebuch gibt es auch unten nochmal eine Zusammenfassung verschiedener Werte, anhand der man zum Beispiel die prozentuale Verteilung des Trainings auf die HF-Zonen einsehen kann. Für ein gut polarisiertes Training nach der 80/20-Regel habe ich also ein wenig zu viel Zeit in Zone 3 verbracht – was ich vor allem der ungeplant fordernden Einheit am 16. zuschreibe. Da hätte ich mich doch mehr zurücknehmen sollen… wie der Trainingsbericht auf einen Blick sehr gut zeigt.
Aktivität
Wer seine Uhr 24/7 am Arm hat und vielleicht sogar bewusst Aktivitätstracking betreibt, bekommt hier einen Überblick. Für mich ist das nicht so spannend – ausser vielleicht das Thema Schlaf. Doch dafür gibt es natürlich einen eigenen Bericht.
Schlaf
Der Schlafbericht bringt nur wenige Einstellmöglichkeiten mit. Neben dem betrachteten Zeitraum kann man nur noch die Sortierung der Schlafphasen nach Dauer oder Zeitpunkt einstellen. Trotzdem finde ich aber viele der ermittelten Daten ganz hilfreich. Neben der Entwicklung der Schlafdauer ist das vor allem die durchschnittliche Schlaflänge. Aber auch die Uhrzeiten, an denen ich normalerweise einschlafe und aufwache sind kann interessant.
Tests
Dieser Menüpunkt ist erst kürzlich (05/2020) hinzu gekommen und zeigt im Moment nur die Ergebnisse des Fitness-Tests an. Zukünftig wird man hier aber wohl auch die Entwicklung beim Orthostatischen Test verfolgen können. Das geht bisher nur über den Kalendereintrag.
Running Index
So, jetzt wird es langsam spannend. ;) Den Running Index ermittelt Polar bei jedem Lauf, der länger als 12 Minuten ist und bei dem die Pace über 10 min/km bleibt. „Der Running Index wendet das im Wesentlichen lineare Verhältnis zwischen Herzfrequenz und Sauerstoffaufnahme bei zunehmender Laufgeschwindigkeit und unterhalb der Maximalgeschwindigkeit an. Wenn die Ruhe-Herzfrequenz und die maximale Herzfrequenz bekannt sind, kann die maximale aerobe Laufleistung basierend auf der Herzfrequenz und Geschwindigkeit bestimmt werden, die während des Tests gemessen wurden.„, sagt Polar zu den wissenschaftlichen Grundlagen dieses Wertes.
Das bedeutet gleichzeitig: die Eingabe der Ruhe-Herzfrequenz und der maximalen Herzfrequenz unter „Konto“ sind für die Qualität des Ergebnisses entscheidend. Meiner Erfahrung nach schätzt Polar den Wert tendenziell eher optimistisch ein, daher ist es besonders wichtig, die maximale Herzfrequenz sehr konservativ anzusetzen. Oder sagen wir mal: realistisch und auf Grundlage von in den letzten zwei Jahren wirklich gemessenen Werten. Dabei ist der Training-Bericht eine große Hilfe.
Wie man der Tabelle unten entnehmen kann, schwankt der Running Index von Lauf zu Lauf deutlich, so dass Polar mit einem gleitenden Durchschnitt arbeitet. Mein heutiger Lauf hat das System wieder einen Punkt hoch geschubst und mir doch sehr rosige Prognosen beschert. Grundsätzlich scheinen mir diese aber deutlich realistischer als die aus dem Hause Garmin. ;)
Cardio Load
Mit dem „Training Load Pro„-Konzept hat Polar mit der Vantage V eine neue Funktionalität eingeführt, die nicht nur die Belastung des Herz-/Kreislaufsystems beschreibt, sondern auch die muskuläre und subjektiv empfundene Belastung mit einbezieht. Beim Cardio-Load-Bericht beschränkt man sich dagegen wieder nur auf die Aussagen zum Herz-/Kreislaufsystem.
Den Kern der Aussagen bildet der untere Graph „bisherige Cardio Load“. Für jeden Lauf wird ein TRIMP-Score ermittelt, der sich auf die Dauer und die Intensität der Trainingseinheit stützt und die Belastung repräsentiert. Zur Beurteilung der Intensität nimmt man die Herzfrequenz und setzt sie in Beziehung zur Herzfrequenz-Reserve (Maximalpuls-Ruhepuls). Die genaue Berechnung kann im Whitepaper nachgesehen werden.
Daneben wird die durchschnittliche Belastung der letzten 7 Tage als „Beanspruchung“ geführt und die durchschnittliche Belastung der letzten 28 Tage als „Toleranz“. Eine Gegenüberstellung dieser beiden Werte (unter anderen Namen) findet man eigentlich auf jeder Trainingsplattform (Runalyze, TrainingPeaks, Stryd PowerCenter, …). Über das Spiel dieser beiden Linien lässt sich feststellen, ob man die Trainingsbelastung gerade sinnvoll steigert. Aber woran erkannt man sinnvolle Werte?
Dabei hilft der neue Cardio-Load-Status. Der betrachtet das Verhältnis von Beanspruchung zu Toleranz und orientiert sich an Empfehlungen der Internationalen Olympischen Komitees IOC zur Vermeidung von Verletzungen durch Überbelastung. Demnach sollte die Beanspruchung im Bereich von 0.8 bis 1.3 der Toleranz liegen. Polar übersetzt das in vier Stufen, die im Diagramm abzulesen sind: unterfordernd, erhaltend, aufbauend und überfordernd.
Idealerweise durchläuft man im Training immer mal wieder alle vier Stufen, wobei der Großteil im grünen Bereich stattfinden sollte. Eine plötzliche und deutlich Erhöhung von Intensität oder des Umfangs kann einen schnell in den roten Bereich bringen, was aber gewollt sein kann und nicht prinzipiell zu vermeiden ist. Umgekehrt darf und sollte es nach anstrengenden Trainingswochen auch mal Zeiten geben, in denen man „unterfordert“ ist.
Ich finde den Cardio-Load-Bericht sehr hilfreich zur Steuerung meines Trainings und würde mir wünschen, dass er auch zukünftige Belastungen mit einbezieht. Natürlich macht er keine Aussagen darüber, ob die Trainingseinheiten selbst oder deren Intensitätsverteilung sinnvoll sind. Man kann kompletten Quatsch trainieren und trotzdem beim Cardio Load gut aussehen. Aber: man überlastet sich damit dann zumindest nicht. ;)
Für mich ist der Bericht DAS zentrale Element in Polar Flow und die mit Abstand meist besuchte Seite.
Community
Polar Flow bietet drei Community-Bereiche an: Gruppen, Clubs und Events. Der Austausch untereinander in den Gruppen zu unterschiedlichsten Themen scheint relativ gut angenommen zu sein – zumindest wenn man sich die Mitgliedszahlen ansieht. Doch leider scheint mir das keine Garantie für ein spannendes Angebot zu sein, denn in vielen Gruppen werden einfach nur minimal kommentierte Trainingseinheiten gepostet. Echte Diskussionen habe ich dort nicht gefunden…
Auch das Konzept der Clubs erschließt sich mir nicht so ganz. Mal ganz abgesehen davon, dass er dort nicht um’s Laufen geht, sondern eher um Cardio-Training in der Gruppe, scheint es nur sehr wenige Anbieter zu geben, die die Plattform wirklich nutzen. Mehr als 1-2 Termine für Kurse in Fitness-Studios habe ich hier nicht finden können. Und wer ins Studio geht, wird wahrscheinlich nicht Polar Flow benutzen, um sich über Termine und Angebote zu informieren.
Bei den Events gibt es zumindest eine vorzeigbare Anzahl von Eintragungen, allerdings scheint auch hier der Community-Gedanke nicht besonders weit zu tragen. Man könnte zwar Events beitreten und so wahrscheinlich mit anderen Sportlern in Kontakt kommen, das scheint nur niemand zu machen: ein Großteil der Events hat nur einen Teilnehmer (vermutlich der Veranstalter).
Insgesamt finde ich den Communtiy-Bereich verzichtbar. Ich kann darin zwar von der Idee her einen guten Ansatz entdecken, aber in der Praxis sehe ich darin für mich keinen Nutzen. Das liegt natürlich auch daran, dass sich Strava sehr erfolgreich als „Läufer-Facebook“ etabliert hat.
Programme
Im Bereich „Programme“ geht es um die Planung des eigenen Trainings – entweder selbst gesteuert, mit Hilfe generischer Trainingspläne von Polar, oder unterstützt durch einen Coach.
Laufprogramm
Polar bietet kostenlose Trainingspläne für die Wettkampfdistanzen 5 Kilometer, 10 Kilometer, Halbmarathon und Marathon an. Die personalisierten Programme basieren auf dem eigenen Fitnesslevel, der sich aus drei Multiple-Choice-Fragen nach Frequenz, Umfang und Intensität des aktuellen Trainings ergibt. Eine Anleitung von Polar gibt es hier.
Die Länge des Trainingsplans bestimmt man über Start- und Wettkampfdatum. Je nach Distanz wird die Mindestlänge des Plans von Polar vorgegeben (5 km: 9 Wochen, 10 km: 10 Wochen, Halbmarathon und Marathon: 14 Wochen). Hat man alle Angaben gemacht, erscheint im unteren Bereich der Seite der ausgearbeitete Plan.
Man kann zusätzlich noch wählen, ob man unterstützende Übungen (Core, Kraft und Mobilität) mit in sein Programm aufnehmen will. Für die Übungen gibt es drei Intensitätslevel und ausserdem begleitende Videos, die alles erklären.
Auch feste Ruhetage darf man definieren, wenn man zum Beispiel freitags nie Zeit für’s Training hat. Je nach Umfang des Trainingsplans können es auch mehrere sein. Meist läuft es aber auf einen, maximal zwei Tage hinaus, damit der Plan noch funktioniert. Wählt man zu viele Tage, fordert das System zur Reduzierung auf.
Jede Einheit kann man sich auch noch im Detail ansehen. Polar stützt sich zur Steuerung der Intensität ausschließlich auf die Herzfrequenz. Es gibt also keine Pace-Vorgaben (oder gar Watt…). Zudem wird auch nur der Bereich bzw. Bereiche vorgegeben. Die unten gezeigten Intervalle sollen also in Zone 4-5 gelaufen werden. Mal abgesehen davon, dass ich die Herzfrequenz als Vorgabe für Intervalle nicht für sinnvoll (oder überhaupt ausführbar) halte, ist das eine sehr breite Vorgabe. Insbesondere, weil nach dem Polar-Zonensystem die anaerobe Schwelle genau zwischen diesen beiden Zonen liegen soll. Und drei Minuten deutlich oberhalb der Schwelle sind sicher etwas anderes, als drei Minuten ein ganzes Stück darunter.
Allerdings geht Polar davon aus, dass man dann jeweils die Hälfte der Zeit in Zone 4 und die andere Hälfte in Zone 5 verbringt. Das spielt für eine weitere Funktion der Trainingspläne eine Rolle, denn die passen sich im Verlauf an Dein Niveau an. Nach jedem vierwöchigen Block wird überprüft, wie gut man die Vorgaben des Plans erfüllen könnte und man bekommt eine Anpassung vorgeschlagen. Man kann sich dann immer dazu entscheiden, auf den aktuellen Niveau zu bleiben, oder der Empfehlung, um ein Niveau zu erhöhen oder zu verringern, folgen.
Diese Empfehlung kommt nicht aus heiterem Himmel, denn man kann auch zwischenzeitlich an einem Sterne-System („F“ in der Grafik) sehen, wie gut man die (Herzfrequenz-) Vorgaben einhält. Bei drei Sternen ist man zu 100% im Soll, bei zwei Sternen sind es 90% und bei einem nur 75%.
Wie oben bereits geschrieben, eignet sich die Herzfrequenz nicht unbedingt als ideale Intervall-Vorgabe, da es eine zu große Verzögerung gibt. Andererseits ist dadurch die Herzfrequenz- gegenüber der Pace-Kurve nur verschoben, gibt also die Zeit in den Zonen in der Nachbetrachtung trotzdem halbwegs (den Cardiac Drift jetzt mal ausgenommen) richtig wieder.
Mit den drei Fragen nach Frequenz, Umfang und Intensität darf man übrigens durchaus etwas „spielen“. Polar scheint Umfang und Intensität des Plans eher moderat anzulegen, so dass erfahrene Läufer durchaus testen dürfen, wohin ein wenig Übertreibung denn führt. ;) Zumal sich Struktur und Inhalte des Plans jeweils nur geringfügig anpassen und in der Vorschau gut zu sehen sind.
Saisonplaner
Ich finde die Bezeichnung „Saisonplaner“ etwas irreführend und auch Polar meint damit wohl eher „Trainingsplaner“. Nur geht es hier um die Erstellung von manuell angelegten Vorgaben für das eigene Training. Der Plan lässt sich für beliebig lange Zeiträume anlegen. Man kann also wirklich eine komplette Saison (zum Beispiel Frühjahr bis Herbst) planen oder „nur“ die acht Wochen zur Vorbereitung auf den nächsten Wettkampf.
Die so angelegte Zeitspanne lässt sich wochenweise in farblich markierte Zeiträume unterteilen (Trainingsphasen). Pro Woche kann man Vorgaben zur geplanten Distanz und Dauer machen, um den Umfang zu strukturieren.
Wechselt man von den Spalten zu den Reihen der Tabelle, lassen sich die Inhalte des Trainings anlegen und dann zeitlich verorten. Der kleinste Planungszeitraum bleibt aber auch hier die Woche.
Ist der (grobe) Plan erstellt, lassen sich einzelne Trainingsziele im Kalender planen und auch die Einhaltung der geplanten Umfänge kontrollieren. Beim gezeigte Beispiel bin ich erst im Verlauf eines aktiven Trainingsplan in die Planung per Polar Flow eingestiegen, so dass die ersten Wochen nicht gefüllt sind. Man kann aber gut sehen, dass ich links die Abfolge der Qualitätseinheiten komplett geplant und diese den Trainingswochen zugeordnet habe.
Zur Planung der konkreten Trainingseinheiten, legt man im Kalender ein neues Trainingsziel an. Das kann man entweder manuell neu erstellen, oder man bedient sich bei den Einheiten, die man als Favoriten bereits abgespeichert hat.
Leider gibt es bei der Saisonplanung einige Limitierungen. Hat man sich zum Beispiel ein Mal die Arbeit gemacht, die Planung für ein Event im Detail festzuhalten, kann man diesen Plan nicht kopieren, wenn man ihn wiederholen will. Das Bearbeiten einer Saison kann diese zwar in die Zukunft schieben, doch das betrifft dann nur die „Planungstabelle“ oben, nicht die angelegten konkreten Trainingseinheiten. Ich muss den Plan also wieder von Neuem manuell mit Leben füllen. Gleichzeitig geht mir durch das Verschieben der Saison auch die bisherige Zuordnung verloren. Ich kann dann also nicht mehr sagen, welchen Saisonplan ich vor einem vergangenen, erfolgreichen Wettkampf benutzt habe. Allerdings bleiben natürlich die ausgeführten Einheiten im Kalender.
Meine Gedanken
Wie schneidet Polar Flow jetzt also im täglichen Gebrauch und als möglicher Ersatz für andere Tools ab? Das ist gar nicht so einfach zu beantworten. Daher versuche ich es Mal in drei Teilen:
Tägliches Training
Ich gucke mir die einzelnen Trainingseinheiten ehrlich gesagt nur selten an. Es ist ja schon während des Laufs klar, ob ich mich an die gesetzten Ziele halten konnte. Dafür sehe ich oft in den Cardio-Load-Bericht und stelle fest, dass ich dadurch nur noch sehr selten mein WKO5 mit dem quasi identischen Chart öffne. Auch zum Prüfen der Trainingsverteilung auf die Zonen (80/20-Check) reicht mir Polar Flow.
Trainingsplan
Obwohl ich gerade mitten in einem Trainingsplan steckte, den ich mir auf TrainingPeaks gekauft habe und der mit seinen teilweise komplexen, strukturierten Trainingseinheiten optimal mit einer Garmin-Uhr auszuführen wäre, bin ich für die restlichen Wochen zu Polar Flow gewechselt. Und habe in Kauf genommen, dass ich die Ziele dort nur deutlich grober definieren kann. Während in TrainingPeaks exakte Vorgaben möglich sind (z.B. ein Pace-Target von 4:32 bis 4:14 min/km), beschränkt sich Polar Flow auf Zonen-Vorgaben. Will ich also z.B. knapp unter meiner Schwelle laufen, kann ich nur Zone 4 als Vorgabe nehmen – und die beginnt unten bereits im mittleren Tempobereich, also deutlich zu niedrig.
Andererseits hat mir das aber auch irgendwie besser gefallen. Für die VO2max-Intervalle habe ich den Abschnitt einfach „Schwelle -15s“ benannt und hatte somit mein Zieltempo immer auf dem Display. Gleichzeitig war natürlich ein Tempo in Zone 5 definiert, so dass ich bei einer deutlichen Unterschreitung schon gewarnt würde. Damit konnte ich gut arbeiten. Bei Schwellenläufen knapp unter der Schwelle hieß der Abschnitt entsprechend „Schwelle +5s“ und die Pace-Zone-4 erinnerte mich daran, wenn ich zu schnell wurde. Eine Warnung nach unten brauche ich da sowieso nicht… ;)
Gesamtpaket
Ganz klar ist, dass Polar Flow für mich das vollständigste und umfassendste Gesamtpaket bietet. Von der Trainingsplanung über das Ausführen von strukturierten Trainingseinheiten und die Prognose von Wettkampfzeiten ist alles dabei. Ich könnte sogar meine HRV-Messungen durch den Orthostatischen Test ersetzen oder mich statt dessen an die „Nightly Recharge“-Ergebnisse halten. Ich müsste schon scharf überlegen, was mir dann noch fehlt – und ob ich das wirklich brauche.
Das Tracking der Ausrüstung (sprich: Schuhe) fehlt mir manchmal. Andererseits ist das gerade frisch ins Stryd PowerCenter integriert worden, das ich parallel sowieso benutzen würde. Alleine schon wegen der Power-Duration-Curve. Mir würden auch einige Metriken wie das Verhältnis von Power zu Pace oder der Herzfrequenz ganz gut in Polar Flow gefallen. Doch das steckt auch teilweise schon im Running-Index oder ließe sich zur Not auch er Excel festhalten.
summa summarum
Im Moment könnte ich mir gut vorstellen, komplett ins Polar-Lager zu wechseln. Ehrlich gesagt ist die automatische Verlängerung meiner TrainingPeaks-Subscription schon gekündigt… Ich würde die Plattform natürlich weiterhin noch befüllen – allein schon, damit mir WKO5 manchmal noch schlaue Fragen beantworten kann. Für die Vorbereitung auf den Ibbenbürener Klippenlauf 2020, der im Oktober stattfinden soll, habe ich aber schon einen Trainingsplan in Polar Flow angelegt.
Dabei ist Polar Flow keineswegs perfekt. Wie man Intervalle mit Herzfrequenz-Vorgaben in einen Trainingsplan schreiben kann, ist mir echt ein Rätsel… Und auch sonst muss ich an einigen Stellen echt den Kopf schütteln. Trotzdem macht Polar aber eben auch so vieles richtig, dass ich die gut 10 Euro im Monat für TrainingPeaks nicht unbedingt ausgeben möchte.