Laufen in Sandalen? Nur was für Verrückte, die sich in qualvollen Jahren den Vorfußlauf mühsam beigebracht haben. Nur um dann in Schlappen zu laufen, die jede Art von Komfort vermissen lassen. Musste ich also ausprobieren. ;)
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Natural Running?
Vor ziemlich genau einem Jahr habe ich mich schon mal mit dem Thema beschäftigt. Natürlich ausgelöst durch eine Lektüre von „Born to Run*„. Damals hat es nur zu Barfuß-Schuhen für die Freizeit gereicht. Mehr habe ich mich nicht getraut. Obwohl selbst das bereits eine ganz spannende Erfahrung war. Was sich erst ungewohnt anfühlt, wird sehr bald zur Normalität. In der Folge bin ich zuhause seit dem fast nur noch barfuß bzw. auf Socken unterwegs.
Auch bei meinen bevorzugten Laufschuhen hat sich im vergangenen Jahr einiges verändert. War ich zuerst mit mittlerer Dämpfung und leichter Pronationsstütze glücklich, dürfen es jetzt gerne recht minimale Schuhe sein. Ohne Stütze und mit möglichst niedriger Sprengung. Meine Theorie: mittlerweile hat sich die Fußmuskulatur so gut an die Belastungen angepasst, dass die zunächst angenehmen „Service-Funktionen“ des Schuhs immer weniger gebraucht werden. In der Folge laufe ich mit den alten Lieblingsschuhen nur noch ungern.
Dazu kommt noch: andere machen vor, dass es auch anders geht. Der SchluppenChris aus der TRR-Crew zum Beispiel. Der läuft nur in seinen Schluppen. Und zuletzt sogar Martin, der eigentlich meine Laufschuh-Vorlieben teilt. Plötzlich steht er mit Sandalen am Start eines Rennens! Verrückter Hund. Irgendwas muss da also dran sein. Einen Impulskauf später war ich mit von der Partie… ;)
ProdukttestLuna Sandals Venado
Für die Transparenz: Die Luna Sandals habe ich zum regulären Preis im Online-Shop des Herstellers gekauft. Der Beitrag ist frei verfasst und gibt ausschließlich meine persönlichen Erfahrungen im Training wieder. [php snippet=1]Erster Eindruck
Um zu diesem schlichten Karton zu kommen, muss man ein wenig Vorarbeit leisten. Die Größe der Sandalen bemisst sich nicht nach den üblichen Schuhgrößen. Man kann sich im Shop aber die Luna-Größen ansehen und ausdrucken. Ist der Umriss auf dem Blatt Papier gerade so groß wie der Fußumriss, hat man seine Größe gefunden.
Bei Unsicherheiten schickt man einfach eine Mail an den Shop und bekommt umgehend eine Beratung. (Die armen Kerle werden in ihrem Leben ’ne ganze Menge Füße auf Papier zu sehen bekommen…) ;) Überhaupt kann man sich jederzeit mit allen Fragen rund um die Sandalen vertrauensvoll an Andreas und Christian von www.gofreeconcepts.de* wenden. Ich habe es bereits einige Male getan und bekam immer schnell, unkompliziert und engagiert Hilfe. :)
Was man bekommt ist durchaus schockierend minimal: ein Paar Gummi-Fußsohlen mit Bändern dran. Und das ist schon die High-Tech-Variante dieser Schuhgattung. Wer „Born to Run*“ gelesen hat, wird sich an die Tarahumara erinnern. Und an Barefoot Ted, der ganz begeistert vom minimalen Schuhwerk der Indianer war. Die haben einfach ein Stück Leder genommen oder einen Autoreifen, ihre Fußform ausgeschnitten und diese Laufsohle mit Bändern an ihren Füßen befestigt. Fertig war das Schuhwerk für Ultraläufe. Ted hat die Begeisterung für diese Schuhe mit zurück nach hause genommen und stellt sie seitdem selbst her. Und weil er sie durch Manuel Luna kennengelernt hatte, gab er ihnen den Namen „Luna Sandals„. Fertig war das Start-Up. Coole Geschichte, oder? Meine Luna Venado wurden also in Teds Werkstatt (von einem seiner Mitarbeiter) handgefertigt.
Natürlich hat er die Sandalen weiterentwickelt und „modern gemacht“. Die Sohle besteht nicht mehr aus einem alten Reifen, sondern einer Vibram-Laufsohle und einem entsprechenden Fußbett. Der Fuß wird durch eine Schnürung gehalten, die zwar grob noch der traditionellen entspricht, aber deutlich mehr Komfort bietet.
Das erste Anziehen ist schon etwas schwieriger als bei einem normalen Laufschuh. Denn wenn man den Fuß erstmal in der Schnürung platziert hat, muss diese noch angepasst werden. Das bedeutet vor allem die Länge der einzelnen Riemenabschnitte richtig einzustellen. Das reicht aber erstmal grob nach Gefühl, denn nach den ersten Läufen wird man wahrscheinlich eh nachjustieren.
Die ersten Schritte
Der ersten Schritte mit den Venado habe ich im Haus gemacht. Die zweiten auch. ;) An den Riemen zwischen den Zehen musste ich mich ein wenig gewöhnen. Aber da er auch nach einigen Tagen regelmäßigen Tragens keine Hautirritationen hervor rief, war die Sorge schnell abgehakt. Die Lunas durften also mit in den Urlaub. Zur Not nur als Freizeitschuhe. Aber da sie sich für den Zweck schon bewährt hatten, sah ich dem ersten Lauf ganz hoffnungsvoll entgegen.
Als ich dann wirklich in Dänemark auf der Straße stand, war ich mir nicht mehr so sicher, ob das eine gute Idee war. Schotterpisten so weit das Auge reicht…
Ich sah mich schon humpelnd und fluchend nach zwei Minuten zurück im Haus, um meine Laufschuhe zu holen. ;) Die Realität sah aber ganz anders aus. Der Lauf war von den ersten Schritten an einfach nur geil… :) Die Steinchen waren gar kein Problem und haben sich nicht wie erwartet zwischen Fuß und Sohle geschoben. Wenn überhaupt sind sie ganz am Rand ein Paar Schritte mit gelaufen und fielen dann einfach wieder runter.
Und zum Glück bestand die 5-km-Runde nicht nur aus solchen Wegen. Es gab gepflasterte Abschnitte und jede Menge sandige Dünen. Die Lunas haben das alles nicht nur locker mitgemacht, sondern den Füßen gleichzeitig so ein tolles Freiheitsgefühl geboten, wie ich es noch nie beim Laufen erlebt habe! Zumal es bei dem sonnigen Wetter wirklich angenehm war die Füße nicht in Socken und Schuhe stecken zu müssen.
Lektion nach dem ersten Lauf: das geht ja wirklich! ;) Ich musste weder meinen Laufstil wirklich anpassen, noch haben die Luna Sandals Schwierigkeiten gemacht. Die Waden- und Fußmuskulatur kribbelte nach der Runde zwar ein wenig, aber auch am nächsten Tag gab es keinen Muskelkater.
Das Kribbeln kam zwei Tage später in anderer Form: ich wollte unbedingt wieder raus in den Lunas. Es sollten noch mehr Dünen werden und am Strand ging es sogar ein gutes Stück durch die Brandung. Das breite Grinsen habe ich tagelang nicht aus dem Gesicht bekommen. Es hat einfach nur Spaß gemacht.
Integration ins Training
Seitdem gehören die Lunas zu meinem Training dazu. Ich trage sie mindestens einmal in der Woche bei meinem lockeren Lauf und habe die Distanz mittlerweile auf 10 Kilometer hoch geschraubt. Da wäre sicher auch schon mehr gegangen und ich hätte die Venado sehr gerne auch noch häufiger getragen, aber ich habe mich entschlossen es langsam anzugehen.
Auch so ist der Trainingseffekt nicht zu übersehen: mein Laufstil hat sich deutlich verbessert. Man läuft in den Sandalen ganz automatisch „runder“. Nicht unbedingt immer nur über den Vorfuß, aber ganz sicher auch nicht über die Ferse. Man setzt die Füße viel bewusster und auch die Muskulatur wird ganz anders beansprucht. Schließlich muss der Fuß jetzt alles selber machen und wird nicht durch einen Schuh in seiner natürlichen Bewegung eingeschränkt.
Auch bei derzeit nur einem Lauf in der Woche mit den Luna Sandals, macht sich die veränderte Lauftechnik auch in Laufschuhen deutlich bemerkbar. Besonders am Tag nach einem „Barfusslauf“, aber mittlerweile auch ganz grundsätzlich. Das liegt sicher an der Kräftigung der Fußmuskulatur, aber meiner Meinung nach auch an dem Erlernen eines wirtschaftlicheren Bewegungsablaufes.
Ausblick
Werde ich jetzt zum Barfussläufer? Ja und nein. Ich werde sicherlich die Distanzen mit den Lunas weiter erhöhen, so daß ich vom Prinzip her auch mal einen Halbmarathon damit laufen könnte. Das hat aber noch Zeit. Aus dem Training kann ich sie mir mittlerweile jedenfalls nicht mehr wegdenken. Es gibt kaum ein Stück Ausrüstung, das in letzter Zeit einen größeren positiven Einfluss auf mein Training gehabt hätte!
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