Seit meinem „Level Up“ sind nun einige Wochen vergangen und ich sehe die ersten Erfolge des polarisierten Trainings.
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Der neue Plan
Eigentlich sind die Empfehlungen von Micha sehr überschaubar gewesen: trainiere mindestens fünf Stunden in der Woche, bleibe diszipliniert in Zone 2 bei den Grundlagenläufen und verbringe ein Mal in der Woche möglichst viel Zeit oberhalb von 90% der VO2max.
Fünf Stunden Training pro Woche
Ich laufe jetzt schon seit 2-3 Jahren vier Mal in der Woche: zwei Mal abends nach der Arbeit und zwei Mal am Wochenende. Die Läufe sind meistens ungefähr eine Stunde lang, so daß ich selbst mit einem langen Lauf nicht auf die fünf Stunden komme. Mal ganz abgesehen von ausgefallenen Läufen, weil etwas dazwischen kam. Andererseits ließen sich die Läufe geringfügig verlängern (z.B. um 15 Minuten), um auf die Zeitvorgabe zu kommen. Zwei Läufe á 1:15h, einmal Intervalle (1h) und ein langer Lauf mit 1:30h würden ja schon passen.
In Zone 2 bleiben
Eigentlich war ich ja der Meinung, mich immer schon gut an die Pulsgrenze bei langsamen Läufen gehalten zu haben. Leider sagen die Auswertungen etwas anderes. Daher habe ich mir jetzt einen Alarm eingerichtet, der sich bei Überschreitung der Grenze meldet. Vielleicht müsste ich den sogar 2-3 Schläge unterhalb der eigentlichen Zahl setzen, um sicher nicht auch nur einen Schlag in Zone 3 zu verbringen. Aber man muss es auch nicht übertreiben.
VO2max-Intervalle
Über den 6-Minuten-Test kenne ich meine Pace und die Wattwerte an der VO2max. Die Intervalle soll ich oberhalb von 90% dieser Werte machen. Aus einer vVO2max von 4:07 min/km wird also eine Untergrenze von 4:34 min/km und aus den 336 Watt werden 303 Watt. Beides entspricht ziemlich genau meiner anaeroben Schwelle bzw. den Werten aus dem 45-Minuten-Test.
Für den Einstieg wähle ich aber nicht die Untergrenze, sondern 95% der VO2max und 4-Minuten-Intervalle. Diese müsste ich dann mit 4:20 min/km laufen, was machbar erscheint.
Kontrolle ist besser
So ein polarisiertes Training hört sich erstmal nicht besonders sexy an: viel Zeit diszipliniert im untersten Drehzahlbereich verbringen und wenn es mal aufs Gas geht, dann nur kurz und (fast schon) schmerzhaft. Für die Motivation wäre es also gut, wenn ich Erfolge sehe. Die hole ich mir über meine Auswertungen in WKO4. Schließlich kann man nur verbessern, was man auch messen kann. ;)
Charts
Es gibt verschiedene Parameter, über die sich eine Verbesserung durch das polarisierte Training sichtbar machen lassen. Aber ich will natürlich auch sehen, ob ich die gesteckten Ziele wie eine 5-Stunden-Trainingswoche einhalte. Also habe ich mir ein Übersichtschart gebaut.
Trainingszeit
Die blauen Balken im Hintergrund visualisieren die Verteilung der Trainingszeit auf die Zonen 1-2 und 3-5. Das Ziel ist bei 80:20, besser noch 90:10 zu landen. Die grauen bzw. weissen Punkte darauf summieren die wöchentliche Trainingszeit auf. 5-Stunden-Wochen werden durch dickere, weiße Punkte angezeigt und mit einer Linie verbunden. So sieht man schnell wie es um die Compliance bestellt ist.
Aerobe Leistungsfähigkeit
Die Trainingszeit in Zone 2 soll die aerobe Leistungsfähigkeit verbessern. Das geschieht durch eine Optimierung des Fettstoffwechsels und die vermehrte Bildung von Mitochondrien. In der Folge sollte ich bei gleicher Belastung (= Herzfrequenz) schneller laufen können.
In meinem WKO4-Chart werte ich also die durchschnittlich gelaufene Pace aus, während sich meine Herzfrequenz in Zone 2 befindet. Und auch wenn das dann schon ein Mittelwert ist, der einige Streuungen glätten sollte, sehe ich mir den über vier Wochen gemittelten Wert an.
Bei der Gelegenheit habe ich die Pace im Bereich der anaeroben Schwelle gleich mit erfasst. Allerdings ist der Wert deutlich weniger aussagekräftig, weil ich dort natürlich eigentlich keine Zeit verbringe – ausser bei Wettkämpfen.
Zeit im Bereich der VO2max
Auf gleiche Art und Weise kumuliere ich die Zeiten, die ich wöchentlich oberhalb von 90% der VO2max verbringe. Die Herzfrequenz eignet sich hier als Metrik nicht, weil sie bei Intervallen viel zu träge reagiert. Daher stütze ich mich auf die Watt-Werte, da der Stryd natürlich immer an meinem Fuß ist.
Laufeffizienz
Das ist nicht direkt ein Thema des polarisierten Trainings, aber auch ein Faktor, den Micha im Level Up genauer betrachtet hat: die Laufeffizienz. Der höhere Umfang sollte auch dazu führen, dass mein Körper die Laufbewegung ökonomisiert. Bei gleichem Input sollte also ein höherer Output heraus kommen. Um das zu verfolgen eignen sich verschiedene Metriken wie die Bodenkontaktzeit, das Verhältnis von Herzfrequenz zu Pace oder Power, die Leg-Spring-Stiffness, usw. Auch das habe ich mir in einem Chart zusammengestellt, um es regelmäßig im Blick zu haben. Natürlich auch als langfristige Entwicklung über mehrere Wochen gemittelt.
Zwischenstand
Das immer noch junge Projekt ist langfristig angelegt. Mein einziges Sorgenkind darin ist die Trainingszeit. Das hat vor allem organisatorische Gründe, denn ganz ehrlich: im Zweifelsfall ist mir die Zeit mit der Familie immer wichtiger als das Laufen. Und der Alltag muss natürlich auch noch mitspielen.
5-Stunden-Woche
Michas Empfehlung war, besser die Frequenz zu erhöhen als die langen Läufe noch länger zu machen. Da meine maximale Wettkampflänge der Halbmarathon ist, reichen dafür die bis zu zwei Stunden. Also habe ich geprüft, ob ich nicht einen weiteren Lauftag einbauen kann. Mehr als 30-45 Minuten müssten da gar nicht zusammen kommen. Und siehe da: es geht. ;)
Freitags kombiniere ich nun einen lockeren Nüchernlauf mit dem vernachlässigten Minimalschuhlauf und frühstücke einfach etwas später. Das bringt den Tagesablauf nicht durcheinander und scheint erstmal gut machbar zu sein. In der Summe komme ich damit auf meine fünf Stunden pro Woche, selbst wenn der lange Lauf nur ca. 90 Minuten lang ist. Und ich habe die Lauf-Frequenz erhöht.
In der Praxis habe ich nach dem vierten Trainingstag meist schon knapp vier Stunden zusammen, so dass ich nur einen normalen statt eines langen Laufs machen müsste. Dabei habe ich es bisher belassen, um es mit der Belastung nicht zu übertreiben. Frequenz und Umfang müssen ja auch erstmal gestemmt werden.
Daher plane ich für die laufende Woche auch einen um ca. 10% reduzierten Umfang. Meine Beine fühlen sich nach drei Wochen mit jeweils über 50 km ein wenig müde an und meine Stimmung verschlechtert sich auch merklich. Eine Erholungswoche wird mir sicher nicht schaden.
Zone 2
Es ist gar nicht so einfach, immer sauber in Zone 2 zu bleiben. Mittlerweile laufe ich an den meisten Tagen zwar nach Gefühl sehr gut im passenden Bereich (sogar über den Coesfelder Berg), aber an anderen Tagen ist der Puls einfach höher und ich laufe in den Alarm. Wenn das innerhalb einer Stunde so 4-5 Mal passiert, habe ich nachher nicht nur 10-15 Sekunden Zone 3 in der Auswertung, sondern gerne auch mal mehr als 10 Minuten.
Die zweite Gefahr ist, immer haarscharf an der Obergrenze laufen zu wollen, um eine bessere Pace in der Auswertung zu sehen. Das macht aus den Grundlagenläufen plötzlich einen kleinen Wettbewerb, was natürlich nicht Sinn der Sache ist. Da muss ich mich selbst bremsen, was mir nach und nach immer besser gelingt.
Grundsätzlich zeigt die Polarisierung aber schnell Erfolge, was mich sehr motiviert, dabei zu bleiben. Meine Zone-2-Pace ist innerhalb weniger Wochen von 6:00 min/km auf unter 5:30 min/km gewandert, wodurch die langsamen Läufe sooo langsam gar nicht sind. :)
Das führt auch dazu, dass ich meine Trainingszonen bereits anpassen musste. Die Einteilung nach Herzfrequenz bleibt natürlich unverändert, aber Pace und Power habe nach Augenmaß und den WKO4-Charts konservativ angepasst. Das beruht nur auf den Entwicklungen in Zone 2, verändert aber auch die Vorgaben für die Zonen 4 und 5. Ob das so passt, lässt sich jederzeit über den 6-Minuten-Test prüfen.
Intervalle
In der ersten Trainingswoche habe ich die Intervalle noch weg gelassen. Die der zweiten Woche liefen eigentlich ganz gut. Pace und Wiederholungen passten, 4×4 Minuten mussten aber erstmal reichen. In der dritten Woche stand ein Wettkampf an, daher habe ich keine Intervalle gemacht, um die Regel „nur eine harte Einheit in der Woche“ einzuhalten. Die fünf Kilometer beim Stiftslauf Nottuln haben ein Intervalltraining in Bezug auf „Zeit oberhalb der Schwelle“ auch sehr gut ersetzt.
Für die konkrete Vorbereitung auf einen Wettkampf (10k oder HM) muss ich mir noch überlegen, ob ich die Intervalle durch Läufe an der anaeroben Schwelle ersetze, oder diese Trainingsreize zusätzlich in den langen Lauf einbaue. Die zweite Variante ist mir erstmal sympathischer, denn die Arbeit an der VO2max ist sicher wichtig für mich.
Notwendige Wartungsarbeiten
Neben den vielen positiven Effekten stelle ich aber auch fest, dass die höhere Wochenbelastung ihren Tribut fordert. Bin ich mit solchen Umfängen in der Wettkampfvorbereitung bisher immer gut weg gekommen, ist eine dauerhafte Anhebung schon eine ganz andere Nummer. Einige Dinge musste ich neu bewerten.
Schuhwahl
Es ist keine gute Idee, nur mit leichten Schuhen unterwegs zu sein. Das steckt mein Körper bei 50 Kilometern und mehr in der Woche einfach nicht so gut weg. Für die Intervalle sind schnelle Schuhe natürlich sinnvoll, aber an den anderen Tagen darf es gerne etwas mehr Komfort sein. Alternative oder Ergänzung: weniger auf Asphalt laufen.
Dehnen und rollen
Meine Muskeln und Sehnen freuen sich auch über kleinere Wartungsarbeiten nach dem Lauf. Waden und Oberschenkel wollen leicht gedehnt werden und auch ein wenig Zeit mit der Faszienrolle tut mir gut. Das muss beides nicht zu einem eigenen Training werden, aber schon fünf Minuten sind gut investiert. Das war bisher nicht unbedingt notwendig.
Ernährung
Die höhere Frequenz führt auch dazu, dass ich das Auffüllen der Speicher nicht mehr verschieben kann. Bisher war fast immer ein Ruhetag nach der Belastung, an dem der Körper sich regenerieren konnte. Jetzt achte ich darauf, nach jedem (!) Lauf mehr als nur Wasser aufzufüllen. Das ist normalerweise einfach nur ein Glas Schokomilch oder eine Banane. Nach Intervallen oder dem langen Lauf kommt dafür aber auch gerne ein Pülverchen zum Einsatz. Natürlich neben einer ansonsten ausgewogenen Ernährung, die vor allem genug Kalorien für den Sport liefern sollte.
Schlafen!
Der wichtigste Faktor ist aber eindeutig der Schlaf. Ich komme nicht gut durch die Trainingswoche, wenn zu viele Nächte mit weniger als sieben Stunden dabei sind. Für den Alltag fühle ich mich zwar auch nach sechs Stunden ausgeruht genug, aber für Intervalltraining ist das keine gute Grundlage.
Strich drunter
Ich bin sehr zufrieden mit der Entwicklung. Die Erhöhung der Trainingsfrequenz und die konsequente Einhaltung der Vorgaben tun mir sehr gut. Das lässt sich nicht nur an den Zahlen ablesen: ich fühle mich auch deutlich besser bei den Läufen – was wahrscheinlich auch an dem fünften Lauftag liegt. Ich hätte nicht gedacht, dass der unabhängig von der dann gelaufenen Zeit so einen großen Effekt hat.
Allerdings habe ich auch weiterhin großen Respekt vor der 5-Stunden-Woche als neue Basis-Belastung. Ich bin mir nach den ersten Wochen relativ sicher, dass mich das läuferisch weiter bringen wird. Aber es ist vom Zeitumfang echt grenzwertig für meinen aktuellen Alltag. Ich werde sehr aufmerksam bleiben wie sich mein Körpergefühl entwickelt und die Balance zwischen Aufwand und dem Spaß am Laufen.