Der Stryd-Footpod ist natürlich vor allem das erste Powermeter für Läufer. Aber er liefert nicht nur die aktuelle Leistung in Watt, sondern auch Pace und Distanz – neben einer Reihe weiterer Metriken.
Das ist gar nicht so uninteressant, wie es sich im ersten Moment anhören mag. Eine GPS-basierte Pace-Anzeige ist immer nur so gut wie die Qualität des GPS-Empfangs. Und die kann deutlich schwanken (Häuserschluchten, Bäume, …). Ein Footpod kann diese Schwäche ausgleichen. Beim Stryd sogar mit einer Präzision, die GPS mindestens ebenbürtig ist, wenn nicht sogar übertrifft. Schließlich gibt es keine Emfangsprobleme. ;)
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Garmin + Stryd
Daher laufe ich schon sehr lange mit dem Stryd-Footpod als Pace- und Distanzquelle für meine Garmin. Die Uhr zeichnet dann zwar noch einen GPS-Track auf, die Pace (+ Distanz) kommt aber eben vom Stryd – wenn das so eingestellt ist. Denn das ist bei Garmin sehr frei konfigurierbar. Ich kann für Pace und Distanz unabhängig entscheiden, ob die Daten des Footpods nie, nur in Situationen ohne GPS-Empfang oder immer benutzt werden sollen. Ziemlich klasse.
Polar Vantage V + Stryd
Die Powermessung am Handgelenk war für mich nach einigen Tests keine Option – schon gar nicht im Vergleich mit dem Stryd. Was ja auch kein Problem ist, denn der Stryd wird bei der Vantage V nach der Kopplung automatisch zur primären Quelle für die Leistungsdaten (siehe Polar Support). In der Quelle wird auch darauf hingewiesen, dass der Flow Webservice die Stryd-Laufmetriken „Leistung, Tempo, Höhe, Schrittfrequenz und Distanz“ unterstützt.
Stryd selbst gibt allerdings an, dass die Vantage V erstmal nur die Live-Powerdaten erhält, sobald die beiden Geräte gekoppelt sind (Quelle). Darüber hinaus wird in einem zweiten Artikel geschrieben, dass auch Pace, Distanz und Cadence vom Stryd übermittelt werden – allerdings mit dem Problem, dass man den Stryd (genau genommen alle Footpods) nicht kalibrieren kann und somit die Werte eventuell um einen Faktor X abweichen (Quelle). Das hat sich seit dem Oktober-Update der Vantage V erledigt: geht jetzt nämlich. :)
Zusammengefasst: Polar und Stryd geben beide an, dass die Vantage V mit verbundenem Stryd auch Pace und Distanz vom Footpod nimmt. Daran habe ich in der Praxis aber große Zweifel, was ich vor allem an der Pace-Anzeige festmache. Laufe ich parallel mit der Polar und einer Garmin und habe beide mit dem Stryd als Pace-Quelle verbunden, zeigt das Display selten eine auch nur annähernd gleiche Pace. :( Warum das so ist, ließ sich mit ein paar Testläufen und schlauen Tools relativ leicht herausfinden.
Testlauf
Ich habe mir eine Strecke ausgesucht, die ich gut kenne und die das GPS immer wieder vor Herausforderungen stellt. Neben echten Waldpassagen mit hohen Bäumen und sehr schlechtem Empfang, sind andere Streckenteile einseitig von Bäumen begleitet. Nur im letzten Drittel gibt es eine Zeit lang völlig freien Blick in den Himmel und zu den Satelliten.
Für meine Läufe habe ich links die Polar Vantage V getragen, per Bluetooth verbunden mit einem H10-Brustgurt und dem Stryd-Footpod. Am rechten Handgelenk war die Garmin Forerunner 945 mit dabei, per Bluetooth mit dem gleichen Brustgurt verbunden (der erlaubt zwei gleichzeitige Verbindungen) und per ANT+ mit dem Stryd gekoppelt. Die Garmin war (wie immer) so konfiguriert, dass Pace und Distanz vom Stryd kommen. Da gleichzeitig auch die GPS-Informationen aufgezeichnet werden, lässt sich daraus nachträglich mit dem „Fit File Repair Tool“ die GPS-Pace errechnen und als eigene Datei abspeichern. Die Aufzeichnungen habe ich jeweils mit WKO5 ausgewertet, um zu gleichen Darstellungen zu kommen.
Garmin mit Stryd-Pace
Wie man sieht war ich bei dem ausgewählten Testlauf nicht besonders gleichmäßig unterwegs, was zum großen Teil aber an dem welligen Gelände liegt. Für mich war es ein ganz normaler Grundlagenlauf.
Da der Stryd seine Daten auch unabhängig von der Uhr aufzeichnet, lässt sich in der Überlagerung schnell sehen, dass Garmin wirklich 1:1 die vom Stryd gelieferte Pace verarbeitet.
Polar mit Stryd-Pace
Nein, da ist nichts schief gegangen. Das ist die Überlagerung der Stryd- und Garmin-Kurve mit den Daten der Vantage V – genau so wie sie in TrainingPeaks und WKO5 ankommen. Der gleiche Lauf sieht in Polar Flow natürlich ganz anders aus, denn offensichtlich glättet Polar die Pace über ca. 30 Sekunden. Das kann ich in WKO5 nachstellen und dann sieht der Vergleich so aus:
Die teilweise deutlichen Abweichungen von der „Referenz-Pace“ des Stryd konnte ich auch live an der Uhr sehen. Mir schienen sie besonders an den Waldrändern aufzutreten. Daher habe ich die echten Waldpassagen in der Grafik ergänzt.
Siehe da: ein Großteil der Ausschläge läßt sich damit gut erklären. Das heisst also eigentlich mit schlechtem GPS-Empfang. Wie passt das nun zu der Aussage, dass die Pace vom Stryd kommen soll?
GPS-Pace
Zur Kontrolle habe ich also mit dem „Fit File Repair Tool“ die Stryd-Pace-Angaben in der Garmin-Aufzeichnung durch die (nachträglich vom Tool berechneten) GPS-Pace-Werte ersetzt. Ohne den Stryd ist also auch die Forerunner 945 an einigen Stellen überfordert.
Das gleiche habe ich mit der Aufzeichnung der Polar gemacht. Allerdings mit dem Ergebnis, dass es kein Ergebnis gab: die Kurven sind identisch! Ganz offensichtlich benutzt die Vantage V also die Stryd-Pace überhaupt nicht. Nicht einmal dann, wenn der GPS-Empfang sehr schlecht ist.
Im direkten Vergleich ist für mich ganz klar, dass die Forerunner 945 in den Waldpassagen deutlich besser abschneidet als die Polar. Die Uhren haben zwar häufig an den gleichen Stellen die gleichen Probleme, allerdings bleibt Garmin viel näher an der Stryd-Pace. Nur im Streckenabschnitt mit absolut freier Sicht auf die Satelliten leisten sich beide keine Schwächen.
Fazit
Es gibt nur einen Weg, die Polar Vantage V dazu zu bewegen, Stryd als Pace-Quelle zu benutzen: der Laufband-Modus, in dem das GPS der Uhr komplett ausgeschaltet ist. Ist das GPS an, wird auch nur die GPS-Pace (und Distanz) genutzt. (Das ist nicht ganz richtig! Siehe Update weiter unten!)
Das finde ich ziemlich ernüchternd. Schließlich werden Footpods schon seit Jahren dazu benutzt, die Pace-Anzeige gegen GPS-Empfangsprobleme abzusichern. Leider konnte ich nicht prüfen, ob Polars hauseigener Footpod ein anderes Ergebnis bringen würde. Wer dazu Erfahrungen hat, darf sich gerne bei mir melden oder unter dem Beitrag kommentieren.
Ergänzung
Erschwerend kommt noch hinzu, dass der Daten-Export von Polar eigentlich nicht brauchbar ist. Die oben gezeigten extremen Ausschläge der Pace sehen auch bei Aufzeichnungen mit ausgeschaltetem GPS (und Stryd als Pace-Quelle) nicht anders aus. Im Sekundentakt springen die Werte hoch und runter, was alle weiteren Auswertungen verfälscht (ich sage nur: Maximalpace von 2:13 min/km beim GA1-Lauf…). Das verleidet mir ehrlich gesagt den Spaß an der Uhr, selbst bei sauberster GPS-Aufzeichnung.
Wer komplett innerhalb des „Systems Polar“ bleibt, keine Daten exportiert und auch nicht den Stryd nutzt, darf fast alle Kritikpunkte direkt aus dem Gedächtnis streichen. ;) Dann bleibt nur noch eine gewisse GPS-Schwäche in ungünstigen Empfangssituationen.
Für mich ist es aber sehr wichtig zu wissen, dass ich alle aufgezeichneten Daten jetzt und in Zukunft sauber mit allen Plattformen verwenden kann, die mir einen Mehrwert bieten. Das scheint Polar nicht zu leisten und daher werde ich die Vantage V (schweren Herzens) erstmal zur Seite legen (müssen). Eine Anfrage bei Polar zur technischen Klärung läuft – eine kurzfristige Antwort erwarte ich aber ehrlich gesagt nicht. Bleibt zu hoffen, dass sich meine Kritikpunkte irgendwann durch ein Firmware-Update auflösen.
Update 15.12.2019
Eine interessante Diskussion im Stryd Club hat mich darauf aufmerksam gemacht, dass mein Test nicht ganz richtig bzw. vollständig ist. Es geht dabei um das verwendete Sportprofil. Ich habe immer das Profil „Laufen“ benutzt, dass die Vantage V standardmäßig anbietet. Einige Nutzer berichteten aber im Forum, dass die Uhr durchaus Pace und Distanz vom Stryd benutzt (bei aktiviertem GPS!) – allerdings nur, wenn man ein anderes Sportprofil benutzt. Ich habe also meinen Test mit dem Profil „Laufen (Strasse)“ wiederholt und siehe da: funktioniert! :)
Der Polar-Export bleibt zwar weiterhin unbrauchbar, aber im Vergleich mit der Forerunner 945 sieht man zumindest, dass die Pace-Werte beim Wald-Testlauf ziemlich identisch sind. Könnte also gut sein, dass die Vantage V mit dem Profil „Laufen (Strasse)“ wirklich die Stryd-Daten genutzt hat.
Mit Hilfe des Fit File Repair Tools habe ich dann wieder die GPS-Pace-Daten der Polar ermittelt und man sieht in der Überlagerung, dass es deutliche Abweichungen gibt. Sprich: es wurden wirklich die Stryd- und nicht die GPS-Werte gespeichert!
Zur Kontrolle auch nochmal das gleiche Procedere mit der Garmin. Auch hier sieht man, dass es einen deutlichen Unterschied zwischen Stryd- und GPS-Aufzeichnung gibt.
Neues Fazit
Warum auch immer funktioniert die Verwendung der Stryd Pace- und Distanzwerte bei der Polar Vantage V nicht mit dem Sportprofil „Laufen“, aber doch beim Profil „Laufen (Strasse)“. Ich wäre nie darauf gekommen, dass das einen Unterschied machen könnte, aber so ist es wohl. Der Datenexport bleibt aber auch dann sehr besch…eiden und ist für mich eigentlich nicht nutzbar. Zumindest ist das Stryd-Problem (teilweise) vom Tisch.
Update 23.06.2020
Im Rahmen meines Tests der Polar Grit X musste ich feststellen, dass Polar mit der aktuellen Firmware (Version 1.1.3 für die Grit X und 5.0.10 für die Vantage V) die Probleme bei der Verwendung vom Stryd als Pace- und Distanzquelle behoben hat. Sobald der Stryd verbunden ist, wird er automatisch als primäre Quelle benutzt – und das in jedem passenden Sportmodus. Zudem lässt sich der Stryd entweder automatisch oder über eine manuelle Eingabe kalibrieren.
Was leider geblieben ist, ist ein unsauberer TCX-Export, bei dem die Pace-Angaben springen. Der alternative CSV-Export zeigt aber die richtigen Werte. Als Stryd-User ist es daher sinnvoll, zusätzlich zum Übertragen der Polar-Läufe ins Stryd PowerCenter auch noch den Offline Sync zu machen. So erhält die Aufzeichnung nicht nur alle Stryd Metriken, sondern auch einen sauberen Pace-Verlauf. Mit der dann exportieren FIT-Datei kann man dann jede andere Plattform (z.B. TrainingPeaks) sehr gut versorgen.