Wir Läufer hüllen uns gerne in feinste Funktionstextilien, um mit diesen High-Tech-Fasern optimale Bedingungen für Training und Wettkampf zu schaffen. Da soll nichts scheuern oder stören und jeder Tropfen Schweiß muss sofort von der Haut weg transportiert werden, damit wir uns immer trocken und wohl fühlen.
Aber es gibt auch noch andere Konzepte. X-Bionic zum Beispiel will den Schweiß mit seiner Kleidung gar nicht abtransportieren, sondern in den Fasern sammeln und aktiv zur Kühlung benutzen. Denn es hat ja einen Grund, warum der Körper schwitzt. Das berücksichtigt normale Funktionsbekleidung meist nicht.
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Vorteile der Merinowolle
Und dann gibt es da noch die Merinowolle. Seit ein paar Jahren taucht sie vermehrt in den Kollektionen der Running-Brands auf. Denn die Naturfaser hat ein paar ganz besondere Eigenschaften, die für Läufer von Vorteil sein können.
Merinowolle hat sehr feine Fasern, die sich auf der Haut sehr weich und flauschig anfühlen. Das macht sie sehr angenehm zu tragen. Gleichzeitig schließen die Fasern relativ viel Luft ein, was isolierend wirkt und gerade bei kalten Temperaturen willkommen ist.
Beim Kontakt mit Schweiß zeigen sich weitere Eigenarten des Materials: die Fasern an sich sind wasserabweisend, das feine Gewebe daraus kann aber viel Wasser aufnehmen. Das führt dazu, dass sich Merinowolle eigentlich nie nass auf der Haut anfühlt, obwohl der aufgenommene Schweiß erstmal im Material verbleibt. Nach aussen kann er aber verdunsten und somit die gewünschte Kühlung erzeugen.
Weil nicht die Fasern, sondern die Gewebestruktur die Flüssigkeit aufnimmt, trocknet Merinowolle sehr schnell wieder aus – jedenfalls schneller als Baumwolle. Die Naturfaser eliminiert zudem den Schweißgeruch, so daß sich die Kleidung häufiger ohne Waschen oder einfach länger tragen lässt, ohne zu riechen.
Praxiserfahrungen
Ich muss zugeben, dass ich dem Material anfangs etwas kritisch gegenüberstand. Das Wolfpack-Longsleeve von Saysky habe ich schon einige Zeit im Schrank, es aber eher sporadisch genutzt. Im Sommer habe ich mir ein T-Shirt aus Merinowolle gegönnt und es mit Begeisterung getragen. Man kommt sich ein wenig „Old-School“ vor, wenn man es die ersten Male trägt. Denn im Gegensatz zu Kunstfasern sieht man bei Merino ziemlich schnell, dass man schwitzt.
Egal ob im Sommer oder Winter, es gibt bei mir immer drei Phasen, die ich mit Merinokleidung durchlaufe. Beim Loslaufen ist erstmal kein Unterschied zu anderen Textilien festzustellen. Sobald ich auf Temperatur komme, gibt es dann einen kurzen Zeitraum, in dem mir unter dem Shirt zu warm wird. Da greift wahrscheinlich die volle Isolationswirkung, noch bevor das Material Schweiß aufnimmt. Nach ein paar Minuten verschwindet das wieder und es stellt sich ein Zustand optimaler Klimaregulation ein: mir ist nie zu warm oder zu kalt, egal wie die Außenbedingungen gerade sind.
Im Sommer ist zu spüren, dass das „durchnässte“ Shirt durch die Verdunstungskälte zur Temperaturregulation beiträgt. Das Shirt klebt dabei nicht so unangenehm auf der Haut, wie es Baumwolle tun würde. Und es fühlt sich definitiv auch nicht nass an. Und selbst wenn man an windigen Tagen dann z.B. an einer Ampel warten muss, gibt es keinen kalten Rücken.
Im Winter trage ich Merino-Longsleeves gerne als erste Schicht – bei milden Temperaturen auch als einzige. Da ich dann nicht so viel schwitze, bleibt das Shirt relativ trocken und dadurch die Isolation ziemlich hoch. Ich kann mit einem Merinoshirt noch bei Temperaturen laufen, bei denen mir ein Kunstfaserprodukt nicht mehr ausreichen würde. Kommt Merino unter einer zweiten Schicht zum Einsatz, ist es anschließend meist komplett durchfeuchtet. Mir scheint in dem Fall das eingeschlossene Wasser zum angenehmen Klima beizutragen, denn es bleibt ja auf Körpertemperatur, während die äußere Schicht vor der kalten Luft schützt. Und wie gesagt: auch in dem Zustand fühlt sich ein Merino-Shirt nie nass auf der Haut an.
Produktempfehlungen
Anzeige: Die gezeigten Produkte habe ich bei den Herstellern vergünstigt kaufen können. Dies hatte keinen Einfluss auf den Inhalt meines Testberichts. Der Beitrag ist frei verfasst und gibt ausschließlich meine persönlichen Erfahrungen wieder.
Derzeit habe ich bestimmt sechs oder sieben Merino-Teile im regelmäßigen Einsatz, die aber nur von zwei verschiedenen Herstellern stammen: Saysky und Soar. Ich bin großer Fan beider Marken und hätte mich ansonsten wahrscheinlich gar nicht auf das „Experiment Merino“ eingelassen. Der Vertrauensvorschuss, dass beide schon genau wissen, warum sie das Material in ihre Kollektion aufnehmen, war da durchaus ausschlaggebend.
Soar Merino & Silk Shirts
Soar hat zwei Merino-Produkte im Angebot: ein T-Shirt und ein Langarm-Shirt. Die Besonderheit bei beiden: das Material ist eine Mischung aus Merinowolle und Seide. Das macht es besonders weich und angenehm auf der Haut. Denn die Shirts sind bei Soar ganz klar als eng anliegende, erste Schicht gedacht. Dem entsprechend ist auch der Schnitt. Zum Drunterziehen also ideal – solo würde ich die Teile nicht unbedingt tragen.
Beide Shirts tragen sich so gut, dass ich das T-Shirt im letzten Winter regelmäßig auch unter der normalen Kleidung getragen habe. Statt einem Unterhemd. Durch die flachen Nähte und das dezente Grau ist das auch unter Hemden kein Problem. Weil Merinowolle kaum Geruch annimmt, wurde ausserdem die Waschmaschine etwas geschont. ;)
Beim Laufen haben die Shirts seit dem meine High-Tech-Funktionsunterwäsche quasi ersetzt. Sie sind auch mein Standard-First-Layer, wenn ich Soars All-Weather-Jacket oder das Softshell-Oberteil trage. Das T-Shirt laufe ich jetzt schon die zweite Saison und es sieht noch immer aus wie neu. Bei Preisen von ca. 60 bzw. 85 Euro darf man das auch wohl erwarten.
Saysky Merino Tech
Merino Tech Kollektion
Saysky hat gleich eine kleine Merino-Kollektion am Start, die mittlerweile ziemlich breit gefächert ist. Waren es ursprünglich nur Longsleeves, gibt es mittlerweile auch Mützen, Schlauchtücher und Handschuhe aus dem Material.
Die Teile sind allesamt natürlich als First-Layer brauchbar, lassen sich aber sehr gut auch so tragen. Das dünne T-Shirt aus Merinowolle habe ich im Sommer gerne getragen und die Kühlung der Verdunstungskälte genossen.
Während das T-Shirt relativ weit geschnitten ist, sind die Longsleeves bei Saysky oft deutlich enger. Beim aktuellen Merino-Shirt habe ich daher eine Nummer größer gewählt (XL statt L) und bin mit dem Sitz sehr zufrieden. Es ist immer noch eng genug fürs Laufen, ohne dabei an der Haut zu kleben.
Ausserdem habe ich mit großer Begeisterung mittlerweile gleich drei Wolfpack Hats im Einsatz. Die Mützen machen einfach eine perfekte Klimaregulation von der herbstlichen Übergangszeit bis in Minusgrade hinein. Und auch dann benutze ich sie manchmal als First-Layer unter einer anderen Mütze.