Vor fast vier Jahren bin ich auf die Pulsmessung am Handgelenk umgestiegen – mit wehenden Fahnen. Endlich war ich die blöden Brustgurte los, die immer stören und nie richtig sitzen wollen. Doch seit ein paar Monaten haben sie sich wieder eingeschlichen. Was ist passiert?
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Kurzer Rückblick
Wer sein Training über die Herzfrequenz steuert, möchte einfach nur wissen wie oft sein Herz pro Minute schlägt. Das war lange Zeit nur per Brustgurt möglich. Ich kenne noch Zeiten, da musste man bei den Dingern alle 2-3 Monate die Batterie wechseln und unter Stromleitungen haben die Werte verrückt gespielt. Dann kamen verschlüsselte Übertragungen und auch längere Akkulaufzeiten. Nur bequemer waren die Gurte noch nicht geworden – in meinen Augen.
Die Forerunner 225 war dann meine erste Laufuhr mit optischer Messung der Herzfrequenz und ich habe die Freiheit genossen, einfach loslaufen zu können ohne an diesen blöden Brustgurt zu denken. Die Messung hat grundsätzlich schon gut funktioniert und wurde mit der Weiterentwicklung über die Modelle (Forerunner 235 und Forerunner 935) noch deutlich besser.
Parallel dazu hatte ich auch immer Laufuhren im Einsatz, die noch keinen optischen Sensor hatten. Wie die Suunto Ambit3-Modelle oder die Spartan Ultra zum Beispiel. Die kann man auch mit optischen Sensoren verbinden, wie dem Scosche Rhythm+ oder dem Polar OH1.
Stand der Technik
Mittlerweile gehört ein optischer HF-Sensor zum Standard bei Laufuhren. Garmin, Polar und Suunto verbauen ihn auch schon bei den Einsteigermodellen. Es ist allerdings zu beobachten, dass es eine deutliche technische Entwicklung bei den Sensoren gibt. Hielt man ursprünglich eine LED für ausreichend, sind daraus schnell zwei und mehr Lichtquellen geworden. Auch wird mit den Lichtfarben experimentiert, um durch die unterschiedlichen Wellenlängen verschiedene Eindringtiefen zu erhalten.
Polar hat in seiner neuen Vantage-Serie den wohl bisher technisch aufwendigsten Sensor verbaut. Gleich neun LEDs werden kombiniert mit Hautkontakt- und Beschleunigungssensoren, um immer eine optimale Messung zu erhalten. Leider bleibt auch der Precision Prime Sensor (derzeit noch?) hinter den Erwartungen zurück.
Probleme mit der optischen Messung
Während es Brustgurte relativ einfach haben aus dem gemessenen elektrischen Widerstand zwischen den Kontakten die Herzfrequenz zu erkennen, hat das optische Verfahren mit viel mehr Tücken zu kämpfen. Denn die auswertbaren optischen Veränderungen in den Hautschichten können nicht nur vom Puls herrühren. Schon minimale Bewegungen des Sensor können zu Fehlmessungen führen, regelmäßige Bewegungen (Schrittfrequenz) können als Herzfrequenz missinterpretiert werden, eine schlechte Durchblutung kann eine Messung deutlich schwieriger machen und dann gibt es auch noch Menschen, bei denen die Optik überhaupt keinen Puls finden kann.
Daneben gibt es noch ganz praktische Probleme: beim Laufen im Winter ist nicht nur die Durchblutung ein Problem, sondern auch die Trageweise der Uhr. Sie muss zwangsweise Hautkontakt haben, was ein Tragen über der (langärmligen) Kleidung ausschließt. Bei anderen Sportarten wie z.B. dem Radfahren kann es auch gewünscht sein, die Uhr nicht am Handgelenk zu tragen. Dadurch ist eine optische Messung natürlich auch unmöglich.
Vorteile des Brustgurtes
Brustgurte sind mittlerweile wahrscheinlich kaum noch in ihrer Grundfunktion zu verbessern. Die mitgelieferten Gurte der drei großen Hersteller gelten als absolut verlässlich, haben eine ziemlich gute Akkulaufzeit und sind ehrlich gesagt auch bequem zu tragen. Von daher gibt es kaum einen Grund, diese nicht zu tragen.
Was mich aber (wieder) auf diesen Weg gebracht hat sind die Einschränkungen, die man durch die ausschließliche Nutzung des optischen Sensors im Zusammenspiel mit der Uhr hat. Das ist mir erst wieder so richtig aufgefallen, als ich für den Test der Vantage V öfter mit Gurt unterwegs war. Hier beruht die komplette Recovery-Pro-Funktion auf der regelmäßigen Durchführung des orthostatischen Tests – der nur mit einem Brustgurt funktioniert.
Auch die Forerunner 935 habe ich im Winter häufig über der Kleidung getragen und dementsprechend dann mit dem Brustgurt verbunden. Und siehe da: mir wurden nach der Trainingseinheit neue Werte für meine Laktatschwelle angeboten. Das funktioniert mit der optischen Messung nicht… Auch für den HRV-Stresstest braucht man bei Garmin den Gurt, während die VO2max-Schätzung zwar auch ohne funktioniert – mit Brustgurt soll sie (samt Prognose der Wettkampfzeiten) aber deutlich genau sein.
In den Bedienungsanleitungen aller Hersteller findet man Formulierungen wie: „wir empfehlen einen Brustgurt zu verwenden, wenn du auf höchstmögliche Präzision Wert legst“. Auch wenn das Marketing etwas anderes suggeriert: im Zweifelsfall wird immer die herkömmliche Messung vorgegeben. Das gilt auch für herzfrequenzbasierte Trainingspläne.
Meine Meinung
Ich muss schon zugeben, dass ich in den letzten Monaten wirklich oft mit Brustgurt unterwegs war – auch wenn ich die Uhr nicht über dem Ärmel tragen musste. Gestört hat mich daran nur das Anlegen, wenn ich den richtigen Moment beim Anziehen verpasst hatte. ;)
Ansonsten finde ich keinen Grund mehr gegen den Gurt, sondern sehe eher einige Vorteile. Unterm Strich werde ich sicherlich weiterhin für Grundlagenläufe auf die Bequemlichkeit der Messung am Handgelenk setzen, aber für alle „wichtigen“ Läufe einen Brustgurt tragen.